Machtwechsel in der SPD:Der Putsch

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Es war ein machtpolitisches Gesellenstück, das Steinmeier da abgeliefert hat. Er agiert, als sei der Schröder in ihn gefahren. Profiteur des SPD-Spektakels wird aber die Linkspartei sein.

Heribert Prantl

Es war ein Parteistreich, ein Coup d'SPD, ein neues Mannheim: Steinmeier gegen Beck, Hauptstadt-Genossen gegen Provinz-Genossen. Der Parteivorsitzende Beck trat zurück, weil er zuvor politisch kastriert worden war. Vizekanzler Steinmeier hat gegen Kurt Beck geputscht.

Außenminister und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier soll die SPD aus der Krise führen. (Foto: Foto: AP)

Steinmeier ist Jurist: Er dürfte sein Handeln vor sich selbst als Nothilfe für die Partei rechtfertigen. In der Öffentlichkeit gibt er den Parteistaatsmann. Das macht er glänzend.

Es sollte ein stiller Putsch sein, einer, bei dem Beck gute Miene zum bösen Spiel macht. Aber dieses Talent hat Beck nicht. Das Maß war für ihn voll, und man kann es verstehen. Damals in Mannheim hat Lafontaine mit offenem Visier gegen Scharping gekämpft, den Parteitag für sich eingenommen und gesiegt. Beck wurde, anders als Scharping, hinterrücks gemeuchelt.

Wie es mit der Partei nun weitergeht, hängt von der Entschlossenheit und der Einigkeit der Putschisten ab - aber nicht nur. Die Frage lautet: Wie viel innerparteiliche Undemokratie lässt sich die Partei gefallen? Lässt sie sich gefallen, dass der neue Parteichef und der Kanzlerkandidat von Umfragen und einem Führungszirkel in Berlin gekürt werden? Und: Wie viele Scherben kann ein Mann wie Müntefering, auch wenn man ihm viel zutraut, kitten?

Die Klausur hätte eigentlich ein Fest des schönen Scheins werden sollen. Sie ist zum Tollhaus geworden. Das Ganze begann nur vermeintlich harmlos. Steinmeier sollte zum Kanzlerkandidaten ausgerufen werden. Wenn eintritt, was eigentlich jeder schon lang erwartet, ist dies an sich kein Anlass für Purzelbäume. Das Überraschende an der ganzen Sache war nur der Zeitpunkt: Steinmeier sollte auf einmal viel früher ernannt werden als von Parteichef Beck angekündigt.

Die D-Frage

Die sogenannte K-Frage war ja in Wahrheit schon seit langem nur noch (um im Jargon des politischen Neo-Dadaismus zu bleiben) eine "D-Frage" - also eine Frage des Datums. Diese Frage, so wurde vermeldet, sei nun außerhalb des Zeitplans von Parteichef Beck geklärt worden. Im Herbst oder im Winter wäre sie freilich auch nicht anders ausgefallen, nämlich auch für Steinmeier.

Was also soll, so mochte man fragen, die Aufregung? Sie war berechtigt. Seit Talleyrand weiß man: Hochverrat ist eine Frage des Datums. Man muss nicht ganz so drastisch werden, um zu beschreiben, was da in der SPD passiert ist. Steinmeier hat Beck nicht verraten - aber ihm das Heft aus der Hand genommen. Er ließ seinem Parteivorsitzenden nicht einmal zum Schein, was Sache des Vorsitzenden ist: die Kür des Kanzlerkandidaten.

Steinmeier hat überall verkünden lassen, dass er selbst den "Findungsprozess" vorangetrieben habe. Er nahm damit Beck die Gelegenheit, die Kandidatenkür als seine souveräne Entscheidung darzustellen und seine Position als Parteichef irgendwie zu festigen. Beck, der demonstrieren wollte, dass er Kraft zum Verzicht hat, stand nun da als einer, der verzichtet, weil er keine Kraft hat.

Zum Grüß-Gott-August wollte er sich nicht machen lassen. Steinmeier, ehedem Hausmeier und Kastellan des Machtpolitikers Schröder, hat sein machtpolitisches Gesellenstück abgeliefert. Er agierte, als sei der Schröder in ihn gefahren. Er inszenierte die politische Kastration des Parteichefs Beck als seinen machtpolitischen Initiationsritus. Der Chef-Diplomat Steinmeier wollte zeigen: Ich kann auch anders. Er hat es gezeigt.

Der Haken war Beck selbst

Er wird aber nun noch ganz andere Qualitäten zeigen müssen: Kann er die Partei zusammenhalten? Kann er es zusammen mit Müntefering? Beide sind Agenda-Politiker. Beck sollte, dies war die Idee, als er Vorsitzender wurde, die Spaltung der Partei in eine Agenda-SPD und eine Links-SPD verhindern.

Eine Beck-SPD sollte Heimat für beide Teil-Parteien sein. Der Haken daran war Beck selbst. Er hat das intellektuelle Feuer und die konzeptionelle Kraft nicht, die er gebraucht hätte. Bodenständigkeit allein reichte nicht - sie reichte auch deswegen nicht, weil ihm die Solidarität der Parteispitzen versagt blieb.

Kanzlerkandidat Steinmeier: Der Parteistreich macht ihn nicht zu einem charismatischen Politiker. Er ist so uncharismatisch, wie Angela Merkel es ist - insofern ist die Konkurrenz zwischen beiden interessant. Müntefering und Steinmeier werden Mauern nach links errichten, der Konflikt mit der hessischen SPD, den Beck nicht zu moderieren mochte, wird schärfer werden.

Sicherlich: Beck hatte keinen Erfolg, die Partei lag darnieder. Seine Erfolglosigkeit aber ist keine ausreichende Basis für ein gedeihliches Wirken derer, die ihn gestürzt haben. Müntefering und Steinmeier stehen für die Wiederkehr der großen Koalition. Andere Machtoptionen haben sie nicht. Strahlkraft auf die Wähler wird diese Aussicht nicht haben.

Profiteur des SPD-Spektakels wird Oskar Lafontaine mit seiner Linkspartei sein. Die Linke wird, noch mehr als bisher, ein vermeintlich verlässliches Angebot für all diejenigen präsentieren, die die große Koalition satthaben und die SPD nicht mehr verstehen.

Irrungen, Wirrungen, Zerfall von Macht und Mission. Die SPD muss, wie es aussieht, mehr aushalten, als eine normale Partei aushalten kann. Wer der SPD wohl will, muss hoffen, dass sie eben keine normale Partei ist.

© SZ vom 08.09.2008/sma/ssc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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