Machtprobe im Kabinett:Kanzler will in Streit um Energiepolitik eingreifen

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Seit Monaten diskutiert Rot-Grün über die neue Klimapolitik. Wirtschaftminister Clement ist dabei vor allem darauf bedacht, nicht zum "Killer der Wirtschaft" zu werden und erntet dafür reichlich Kritik aus der SPD-Fraktion und von den Grünen. Jetzt soll Schröder ein Machtwort sprechen.

Von Philip Grassmann und Ulrich Schäfer

Berlin - Im Streit über die Energiepolitik verlangt Wirtschaftsminister Wolfgang Clement ein Machtwort von Regierungschef Gerhard Schröder. "Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik, und wenn es keine Einigung gibt, wird die Bundesregierung entscheiden", sagte Clement. Schröder erklärte im ZDF, er werde sich notfalls in den Streit einschalten.

In SPD-Fraktionskreisen hieß es, Voraussetzung sei aber, dass die beiden Minister zuvor die größten Streitpunkte ausräumen. Zuvor war ein Einigungsversuch Clements mit Umweltminister Jürgen Trittin über die Ausgestaltung des Handels mit Abgasrechten gescheitert. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ging es bei dem Treffen nur darum, die Probleme einzugrenzen. Gleichzeitig stellte der Wirtschaftsminister den Zeitplan für die Verhandlungen in Frage.

Entsprechend der Vorgabe der EU-Kommission muss die Regierung bis zum 31. März ihre Pläne für den Handel mit Abgasrechten in Brüssel vorlegen. "Es wäre nicht der erste Termin, den wir nicht präzise einhalten", sagte Clement. Schröder ergänzte, die Regierung wolle den Termin gerne einhalten. Aber: "Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit." Wirtschafts- und Umweltminister streiten seit Wochen darüber, wie hoch der Schadstoff-Ausstoß für die Industrie künftig sein soll. Trittin sagte wegen des Konflikts die Teilnahme an einer Klimaschutz-Konferenz in Thailand ab.

Clement: "Ich bin kein Klimakiller"

Beide Minister betonten, sie seien zu einer Einigung bereit, blieben aber in der Sache hart. "Ich bin kein Klimakiller. Allerdings möchte ich auch nicht zum Killer der deutschen Wirtschaft werden", sagte Clement. Vorige Woche hatte er einen Kompromiss, den die Staatssekretäre beider Häuser mit Kanzleramtschef Frank Walter Steinmeier ausgehandelt hatten, in letzter Minute gekippt.

Der Plan sah eine moderate Abgas-Reduzierung vor. Clement fordert nun, dass, die Emissionen entsprechend dem Wirtschaftswachstum erhöht werden müssten. Im Umweltministerium hieß es: "Dadurch, dass Clement die Kompromisslösung abgelehnt hat, gilt diese Vereinbarung nun auch nicht mehr für Trittin."

Auch bei den anderen Instrumenten der Klimapolitik gibt es weiter Meinungsverschiedenheiten. Clement beharrt darauf, 2007 unter anderem die Ökosteuer und das Stromeinspeise-Gesetz auf den Prüfstand zu stellen, weil dadurch die Wirtschaft belastet werde. Dagegen sagte Trittin, die Ökosteuer entlaste die Unternehmen, weil sie dazu diene, die Lohnnebenkosten zu senken.

Der Vize-Fraktionschef der Grünen, Reinhard Loske, forderte Clement auf, sich den "Realitäten zu stellen". Auch in Kreisen der SPD-Fraktion wurde Kritik laut: "Die Mehrheit kann sein Verhalten nicht nachvollziehen". Der SPD-Vizefraktionschef Michael Müller sagte, Klimaschutz sei kein grünes, sondern müsse ein gemeinsames Thema bleiben. Unterstützung bekam Clement aus Nordrhein-Westfalen: "Clement ist nicht ein einsamer Rufer in der Wüste", sagte der SPD-Landeschef Harald Schartau.

© SZ vom 24.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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