Machtpolitik:Vormacht der Schiiten

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Iran mischt im syrischen Bürgerkrieg kräftig mit, auch mit Soldaten am Boden. Welche Ziele verfolgt Teheran in dem Land?

Von Tomas Avenarius

Bedauernswert, wer solche Waffenbrüder hat wie Syriens Präsident Baschar al-Assad. Erst sind Iran, die Hisbollah und Schiiten-Milizen aus dem Irak, Afghanistan und Pakistan dem Syrer zu Hilfe geeilt, jetzt mischt auch noch Russland mit. Sie erledigen für Assad einen Teil der militärischen Schmutzarbeit im Bürgerkrieg. Und trotzdem sind sie bereit, ihn jederzeit über die Klinge springen zu lassen. Besonders vorsehen muss sich der Syrer vor seinem wichtigsten Freund: Iran. Assad habe die Russen nicht nur aus Angst vor den Aufständischen um militärisches Eingreifen gebeten, schrieb jüngst der Spiegel unter Berufung auf einen russischen Offizier: "Assad und seine Umgebung haben Angst vor den Iranern."

Moskau mag spektakulär durchinszenierte Luftangriffe auf die Rebellengruppen und Terrormilizen fliegen lassen und so die Rückkehr nach Nahost suchen. Aber Teherans Agenda in Syrien reicht weiter. Das weiß auch der amerikanische Außenminister John Kerry, der kürzlich sagte: "Iran ist ein wichtiger Spieler, der sehr unerfreuliche Dinge in Syrien bewegen kann." Neben der militärischen Rettung des Assad-Regimes geht es Teheran um dauerhaften Einfluss über politische, religiöse und wirtschaftliche Hebel.

Teheran betreibt umfangreiche "Kulturarbeit" in dem Land

Teheran ist mit Syrien seit Beginn der 80er-Jahre verbündet. Es unterstützt Assad militärisch. Auch bei der jetzt offenbar anlaufenden Bodenoffensive gegen die Rebellengruppen in der nordsyrischen Metropole Aleppo dürften Milizionäre der iranischen Revolutionsgarden eine Schlüsselrolle spielen. Es sollen nur einige Hundert Mann sein. Aber sie gehören zur Al-Quds-Eliteeinheit und werden von Generalmajor Kassem Soleimani geführt. Viele halten den "gefährlichsten General Irans" für Teherans Mastermind und damit für denjenigen, der Assads Kopf bisher gerettet hat.

Dessen Armee ist nach mehr als vier Jahren Krieg ausgezehrt. Die Iraner hatten schon die schiitische Hisbollah gegen deren Willen zum Eingreifen gebracht. Sie musste folgen, denn sie würde ohne iranische Waffen ihre Bedeutung verlieren im Dauerkonflikt mit Israel. Iran hat zudem arrangiert, dass schiitische Milizen aus dem Irak, Pakistan und Afghanistan in Syrien kämpfen.

Hinzu kommt die "Kulturarbeit": Iran betreibt die Schiitisierung Syriens. Die Assad-Familie gehört einer schiitischen Sekte an, den Alawiten, die nicht als echte Schiiten gelten. Durch den Bau klassisch schiitischer Moscheen, Kulturzentren und Schulen sowie den Schutz berühmter Heiligtümer nimmt Iran die Rolle der kulturell-religiösen Schutzmacht an gegenüber den Aufständischen, die der sunnitischen Mehrheit Syriens angehören. Das Ziel: Aus den Alawiten Schiiten machen und den politischen Einfluss der Schiitenvormacht Iran in Syrien dauerhaft absichern.

Das folgt dem Vorgehen Teherans in Libanon: Dort wurde nicht nur die Hisbollah als schlagkräftige Miliz und politische Partei gegründet. Gleichzeitig wurden die Schiiten des Landes durch Sozialhilfe, Bildungsarbeit und den Bau von religiös-kulturellen Einrichtungen enger an Iran gebunden. Teheran betreibt also die Fortsetzung seiner Politik mit religiösen Mitteln: Das iranische Regime wünscht sich als Schiitenvormacht einen zusammenhängenden Bogen schiitisch dominierter Staaten: Von Iran über den Irak nach Syrien und Libanon.

© SZ vom 21.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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