Machtkampf in Iran:Der Konflikt schwelt weiter

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Iran lässt Mitarbeiter der britischen Botschaft frei und zählt einen Teil der Stimmen der Präsidentenwahl nochmals aus. Unterdessen kommen aus Teheran Berichte über neue Proteste - und die Brutalität der Milizen.

Die iranischen Behörden haben mehrere festgenommene einheimische Angestellte der britischen Botschaft in Teheran freigelassen. Fünf Botschaftsmitarbeiter seien freigekommen, drei weitere würden noch befragt, sagte der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Hassan Ghaschgawi, in Teheran. Laut Nachrichtenagentur Fars wurde den Festgenommenen vorgeworfen, eine "bedeutende Rolle" in den Unruhen nach den umstrittenen Präsidentenwahlen am 12. Juni gespielt zu haben.

Mussawi-Anhänger bei einer Demonstration am 28. Juni in Teheran. (Foto: Foto: dpa)

Die Beziehungen zwischen Iran und Großbritannien haben sich seit den Protesten gegen den umstrittenen Wahlsieg von Präsident Mahmud Ahmadinedschad erheblich verschlechtert. Teheran wirft London vor, die Proteste der Regierungskritiker anzustacheln. Der britische Außenminister David Miliband hatte die Festnahmen der Botschaftsmitarbeiter als "inakzeptable, beispiellose Schikane und Einschüchterung" verurteilt.

Auf Nachfrage versicherte Ghaschgawi, Iran plane derzeit keine Schließungen von Botschaften. Auch die Herabstufung diplomatischer Beziehungen sei derzeit keineswegs geplant, sagte er. Der iranische Außenminister Manuschehr Mottaki hatte zuvor gesagt, sein Land erwäge die Herabstufung der diplomatischen Beziehungen zu Großbritannien.

Unterdessen berichtete der staatliche Fernsehsender El Aram, der Wächterrat habe am Morgen mit der erneuten Auszählung der Stimmen aus zehn Prozent der Wahlurnen begonnen. Die Prozedur werde voraussichtlich am Nachmittag abgeschlossen sein, das Ergebnis in den kommenden 24 Stunden verkündet.

Der Wächterrat hatte am Freitag angekündigt, eine Sonderkommission mit einem Bericht über die Wahl am 12. Juni zu beauftragen. Der Ausschuss soll die teilweise Neuauszählung der Stimmen überwachen. Der unterlegene Präsidentschaftskandidat Mir Hussein Mussawi und seine Anhänger werfen den Behörden Wahlfälschung vor und fordern Neuwahlen - dies hat der Wächterrat jedoch abgelehnt.

Mussawi verweigerte seinerseits am Wochenende eine Zusammenarbeit mit der Sonderkommission mit der Erklärung, das Gremium werde ohnehin nicht zu einem "gerechten Urteil" über den Wahlhergang kommen. Nach offiziellen Angaben war Präsident Mahmud Ahmadinedschad mit einer deutlichen Mehrheit von 63 Prozent im Amt bestätigt worden.

In der Hauptstadt Teheran ist es einem Augenzeugenbericht zufolge am Sonntag erneut zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gekommen. Demnach gingen mit Schlagstöcken bewaffnete Polizisten und Angehörige der Bassidschi-Milizen gegen Demonstranten vor. Auch vom Einsatz von Tränengas war die Rede.

Videos im Internet, die auf den 28. Juni datiert waren, zeigten Menschen, die Slogans wie "Stolze Iraner, unterstützt uns", "Gott ist groß" und "Wo bist du Khomeini, Mussawi ist ganz allein" riefen.

Es waren die ersten Straßenproteste seit mehreren Tagen. Da politische Kundgebungen verboten sind, wagen sich kaum noch Oppositionelle auf die Straße.

Chamenei: "Jugend nicht emotional aufstacheln"

Der religiöse Führer Ayatollah Ali Chamenei wies am Wochenende die Forderung von Mussawi nach einer unabhängigen Überprüfung der Ergebnisse der Wahl erneut zurück. "Ich fordere beide Seiten auf, die Jugend nicht emotional aufzustacheln, die Menschen nicht gegeneinander aufzuhetzen und die Einheit der Nation nicht weiter zu beschädigen", warnte Chamenei.

Nach Forderungen von US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel, die demokratischen Rechte der Iraner zu achten und die iranischen Nuklearpläne zu beenden, attackierte Ahmadinedschad den Westen scharf. "Diesmal wird die iranische Nation entschieden und klar antworten, so dass ihr (der Westen) beschämt seid und bereut", drohte er.

Offenkundig mit Blick auf den Atomstreit fügte er hinzu: "Ohne jeden Zweifel wird die neue iranische Regierung dem Westen entschiedener und machtvoller begegnen." Der frühere iranische Atom-Chefunterhändler Ali Laridschani rief den Westen auf, das "demokratische Leben" in seinem Land zu respektieren. " Iran ist nicht der Irak oder Afghanistan."

Berichte über Grausamkeit der Bassidschi-Milizen

Derweil werden immer grausamere Einzelheiten über Aktionen der iranischen Bassidschi-Milizen bekannt, die als absolut regimetreu und brutal gelten. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisationen Amnesty International verschleppen sie verletzte Teilnehmer von Protestkundgebungen aus Teheraner Krankenhäusern. Nach anderen Augenzeugenberichten terrorisieren sie die Menschen auch bei nächtlichen Razzien.

Ziel seien Bewohner, die - wie in Zeiten der Islamischen Revolution vor 30 Jahren - nachts von den Dächern ihrer Häuser Slogans wie "Gott ist groß" und "Tod dem Diktator" rufen. Wie die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch auf ihrer Webseite berichtete, verschaffen sich die Paramilitärs gewaltsam Zugang zu den Häusern, schlagen Bewohner zusammen und feuern Schüsse in die Luft.

© Reuters/dpa/AFP/ihe/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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