Löhne:Im Gleichschritt ungerecht

Bei den Einkommen wächst die Schere zwischen Arm und Reich nicht mehr. Doch das ist kein Grund zur Entwarnung.

Von Michael Bauchmüller

Eine gute Nachricht haben Berliner Wirtschaftsforscher aus ihren unermesslichen Datenschätzen ausgegraben: Die Löhne von Reich und Arm sind in den Jahren seit der Finanzkrise quasi im Gleichschritt gewachsen. Die himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass die ohnehin Abgehängten mit jeder neuen Lohnrunde noch weiter zurückbleiben, wäre damit einstweilen gebannt. Also Grund zur Beruhigung?

Von wegen. Zum einen, das halten auch die Forscher fest, ist dieser Ungerechtigkeit zwar Einhalt geboten. Aber deshalb schließt sich die Schere nicht wieder; sie wird nur nicht größer. Zum anderen geht es eben nur um die Bruttolöhne - nicht darum, was daraus gemacht wird. Und es braucht keine großen Datensätze, um hier das wahre Unheil zu ahnen.

Denn in Zeiten niedriger Zinsen landen üppige Einkommen längst nicht mehr auf der Bank, viel öfter dagegen in Immobilien. Weil vielerorts der Wohnraum knapp ist, verspricht das ordentlich Rendite. Wer dagegen wenig verdient, kann von einer eigenen Wohnung nur träumen. Stattdessen trägt er brav sein Geld zum Vermieter, und weil der Wohnraum vielerorts knapp ist, in der Tendenz Jahr für Jahr ein wenig mehr. So mögen die Lohneinkünfte für Arm und Reich wachsen, die Kapitalrendite aber wandert im Zweifel von Arm zu Reich. Die Ungleichheit bleibt eine schwärende Wunde in diesem Land - auch jenseits der Löhne.

© SZ vom 26.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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