Liberias Ex-Präsident:Kriegstreiber Taylor kommt endlich vor Gericht

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Um ein Haar hätte er es noch einmal geschafft. Der Fluchtversuch aus seinem früheren Asyl Nigeria endete erst an der Grenze nach Kamerun. Nun wird der "Milosevic Westafrikas" wohl doch noch für seine monströsen Verbrechen büßen.

Arne Perras

Um ein Haar hätte er es noch einmal geschafft. Charles Taylor, der berüchtigte Kriegstreiber und frühere Präsident Liberias, hat sich schon oft in letzter Minute aus der Umklammerung befreit.

Auch am Mittwoch sah es für einige Stunden so aus, als könnte Taylor, der seit 2003 in Nigeria im Exil lebte, doch noch mal davonkommen und die ganze Welt narren.

Doch dieses Mal hatte sich der Mann verrechnet. Die nigerianische Polizei hat ihn nach kurzer Flucht gefasst und zunächst nach Liberia ausgeflogen. Nun wird er wohl doch noch büßen müssen für seine grausamen Taten. Ein Sondertribunal in Sierra Leone soll ihm den Prozess machen.

Ein gewaltiger Schritt

Das Verfahren gegen Taylor, das nun möglich wird, ist ein gewaltiger Schritt, um zumindest einige der monströsen Verbrechen in Westafrika zu ahnden. Taylor war der erste afrikanische Staatschef, der 2003 wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt worden war.

Die Liste der Vorwürfe ist lang. Nach den Ermittlungen hat Taylor Sierra Leone und Liberia mit kriminellen Methoden in den Ruin getrieben. In den kriegerischen Wirren starben Zehntausende Zivilisten.

Taylor wird verantwortlich gemacht für Mord und Folter, die von ihm gesteuerten Milizen vergewaltigten und verstümmelten wehrlose Opfer, nicht einmal Babys schonten sie. Der frühere Balkan-Vermittler Richard Holbrooke nannte Taylor einmal den "Milosevic Westafrikas".

Die Nachricht von der Festnahme beendete ein blamables Verwirrspiel, das den nigerianischen Präsidenten Olusegun Obasanjo beinahe seinen Ruf gekostet hätte. Erst vor wenigen Tagen hatte Liberia die Auslieferung Taylors verlangt, was Obasanjo bislang immer abgelehnt hatte. Dieses Mal gab er überraschend nach, kurze Zeit später aber war Taylor aus seiner sonst streng bewachten Exil-Villa verschwunden.

Das nährte Vermutungen, Nigeria habe den Angeklagten absichtlich entwischen lassen. Immerhin war es Obasanjo, der Taylor vor drei Jahren zum Exil überredet hatte. Dies war einerseits ein guter Schritt, weil er das Morden in Liberia beendete.

Andererseits war das Angebot auch problematisch, weil es Taylor seiner gerechten Strafe entzog. Fortan lebte der Mann in Saus und Braus in einer nigerianischen Regierungsvilla, und nur eines wurde von ihm verlangt: Er sollte sich nicht mehr einmischen in die Politik seines Heimatlandes. Dieses Versprechen hat Taylor nach Ansicht von Beobachtern längst gebrochen.

Obasanjo muss sich also kaum vorwerfen lassen, dass er Taylor nun die schützende Hand entzogen hat.

Wie der Liberianer fliehen konnte, ist noch nicht geklärt, aber es waren dann doch nigerianische Sicherheitskräfte, die ihn an der Grenze zu Kamerun stellten.

So sehr die Ankläger Taylors Festnahme ersehnten - ohne politisches Risiko ist der Schritt nicht. Denn Taylor hat noch immer Einfluss in Liberia, und er ist durch seine schmutzigen Geschäfte reich genug, um neue Aufstände im Land anzuzetteln. Selbst aus der Gefängniszelle heraus.

© SZ vom 30.3.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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