Liberia:Sympathie für den Kirchenführer

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Gyude Bryant hat kaum politische Erfahrung, doch ihm ist die Unterstützung der Menschen in Liberia sicher. Sein größter Trumpf könnte sein, dass er zu den Führern einer der größten Glaubensgemeinschaften in Liberia zählt.

Michael Bitala

(SZ vom 22.8.2003) - Um große Worte ist Gyude Bryant zumindest nicht verlegen. "Ich sehe mich als Heiler", sagte der 54-Jährige, als bekannt wurde, dass er als Präsident von Oktober an die Übergangsregierung in Liberia leiten soll.

Ob ein selbst ernannter Heiler wie Bryant aber ausreicht, das vom Bürgerkrieg völlig zerstörte Land aufzubauen, ist fraglich. Noch dazu einer, der von vielen Beobachtern als "Kompromiss" und als "neutralste Wahl" beschrieben wird - was wohl auch bedeutet, dass er der Kandidat war, der über die geringste politische Macht verfügt.

Seinen beiden Konkurrenten wurden jeweils Sympathien für die bisherige Taylor-Regierung oder für die Opposition nachgesagt. Bryant aber ließ sich nicht festlegen. Er verfügt über wenig politische Erfahrung und gehört der kleinen, mehr oder weniger neutralen Volksgruppe Grebo an. Sein Glück machte der Händler aus Monrovia bislang mit dem Verkauf von Maschinen und Ersatzteilen, die für Häfen gebraucht werden.

Die Wahl Bryants hat alle überrascht

Natürlich hat die Wahl Bryants alle überrascht. Denn jeder, der den Bürgerkrieg in Liberia verfolgt hat, weiß, dass dort bislang immer nur diejenigen herrschen konnten, die über die größte militärische Stärke verfügten.

Und nun, wo zwei Rebellengruppen mehr als zwei Drittel des Landes erobert haben, wo sich Regierungstruppen und Milizen immer noch heftige Gefechte liefern, soll auf einmal ein blasser Kaufmann die Kraft haben, der Katastrophe zu beenden.

Als viel wahrscheinlicher galt, dass Ellen Johnson-Sirleaf das Amt des Übergangspräsidenten bekommt, da sie lange für die Vereinten Nationen gearbeitet hat. Dieser Kontakt galt als ihr größter Vorteil, da Liberia nur in Zusammenarbeit mit den UN und den internationalen Hilfsorganisationen gerettet werden kann.

Bryant gehört der moderaten Opposition an

Trotz der offensichtlichen Schwäche verfügt Bryant aber über Eigenschaften, die positiv für den Friedensprozess sein könnten. Der Mann, der gerne in weißen Leinenanzügen auftritt, gehört der Oppositionspartei Liberia Action Party an. Diese hat nicht nur die Regierung das abgetretenen Präsidenten Charles Taylor erfolgreich dazu gedrängt, Verhandlungen mit der größten Rebellengruppe, der Lurd, aufzunehmen, sondern sie hat auch immer wieder die Milizen scharf kritisiert.

Das brachte Bryant und seiner Partei den Ruf ein, auf eine moderate, ausgleichende Politik zu setzen, die sich wirklich den Interessen der Menschen verschrieben hat.

Bryants größter Trumpf aber könnte sein, dass er einer der Führer der Episcopal Church ist, die zu den größten Glaubensgemeinschaften in Liberia zählt. In ganz Afrika haben solche Kirchen einen enormen Zulauf, vor allem in völlig zusammengebrochenen Staaten wie Liberia, Kongo oder Sierra Leone. Sie sind oft die einzigen, die noch Schutz und Geborgenheit vermitteln und sich um die Ausbildung, um Unterkünfte und auch um Lebensmittel kümmern.

Als Religionsführer ist Bryant - der verheiratet ist und drei erwachsene Kinder hat - die Unterstützung von vielen Menschen sicher. Denn, und das hört man vor allem in den liberianischen Flüchtlingslagern: Um das Land vor dem Untergang zu bewahren, bedarf es überirdischer Kräfte.

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