Libanon:Die Zedern zittern wieder

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Wie Israel und die Hisbollah die Krise im Libanon befeuern.

Tomas Avenarius

Nur gut, dass Achmed Fatfat kein Uniformträger ist. So verärgert ist der libanesische Innenminister über die Scheinangriffe israelischer Kampfflieger auf Beirut, dass er "Luftabwehrraketen kaufen und bei Bedarf auch einsetzen" will. Natürlich weiß der Minister Fatfat in seinem zivilen Anzug, dass dem Libanon so schnell kein Land der Welt - außer vielleicht Nordkorea, Syrien oder Iran - Waffensysteme anbieten wird, die den israelischen F-16-Jets gefährlich werden könnten.

Aber dass die Israelis Tag für Tag über den Libanon fliegen wie über ihr eigenes Land und nun auch noch im Tiefflug die Bewohner von Beirut und Tyros mit aufheulenden Triebwerken die letzten Nerven kosten, will Fatfat nicht akzeptieren. Und da er weiß, dass die libanesische Armee mit ihren veralteten Flak-Kanonen eher Spatzen als die israelischen Top-Guns das Fürchten lehren kann, verfällt er dann eben auf Raketen, die er nicht hat.

Gespannte Lage im Libanon

Mehr als Abschreckung mit nicht vorhandenen militärischen Mitteln kann die Drohung mit der Fatfat-Flak nicht sein. Aber sie zeigt, wie gespannt die Lage im Libanon ist - keine drei Monate nach Kriegsende und obwohl die Unifil-Truppe im Süden des Landes inzwischen eine Stärke von knapp 9000 Mann erreicht hat und es täglich mehr werden.

Der winzige Landstrich an der israelischen Grenze wimmelt von französischen, türkischen, indischen und finnischen Soldaten mit blauen Helmen in Jeeps und Schützenpanzern, auf See vor der libanesischen Küste kreuzt ein Flottenverband der deutschen Bundesmarine. Zudem stehen im Südlibanon mehr als 10.000 Mann der libanesischen Armee.

Nur die Hisbollah, die den Südlibanon mit einem Netz aus Waffenlagern, Erdbunkern und Schützengräben überzogen hatte und dort halbwegs erfolgreich einen Monat lang Krieg gegen die israelische Armee geführt hat, ist nicht zu sehen. Abgesehen von ein paar zivilen Aufbauhelfern scheinen die Bewohner in den zerstörten südlibanesischen Orten wie Bint Jbeil oder Blida sich selbst überlassen zu sein mit den Trümmern ihrer von den Israelis zerbombten Häuser.

Beirut im Fokus der Hisbollah

Die Hisbollah agiert längst wieder im Hintergrund. Sie hat ihren Fokus vom Südlibanon erneut in die Hauptstadt Beirut verlagert. Daher treffen die "israelischen Provokationen", von denen Minister Fatfat angesichts der Tiefflieger über Beirut spricht, das Land in einer innenpolitischen Krise.

Die Hisbollah und die mit ihr locker verbündeten Christen des Ex-Generals Michel Aoun verlangen, dass Libanons Premier Fouad Siniora sein Kabinett umbaut. Gebraucht werde "eine Regierung der nationalen Einheit", in der auch Aouns Oppositionspartei stark vertreten ist.

Klar ist, dass die fundamentalistische, pro-iranische Schiitenpartei und der säkular orientierte Christen-General damit der pro-westlichen Regierung das Leben schwermachen würden. Nach Meinung von Beobachtern in Beirut könnte diese "nationale Einheitsregierung" auf Wunsch Aouns jederzeit eine nationale Blockade auslösen.

Die Frage ist, wie lange der Premier sich dem Druck widersetzen kann. Schon droht der aus Angst vor einem israelischen Attentat im Untergrund lebende Hisbollah-Führer Sayed Hassan Nasrallah mit Massendemonstrationen, wenn die Einheitsregierung nicht bis Monatsmitte auf den Weg gebracht werde.

Innenminister Fatfat sagt, die Regierung sei zwar bereit zum Gespräch über eine Umbildung des Kabinetts. Aber der von der Hisbollah und General Aoun eingeforderte nationale Dialog sei "kein Zwiegespräch, sondern schlicht politische Druckmacherei." Von Nasrallahs Drohung will Fatfat sich nicht beeindrucken lassen: "Wenn die Hisbollah die Menschen auf die Straße ruft, dann werden wir das eben auch tun. Dann wird man sehen."

Die Drohung mit neuen Massendemonstrationen beider Seiten erinnert an die Zeit der "Zedernrevolution" im Libanon. Im Frühjahr 2005 erzwangen Hunderttausende Menschen mit wochenlangen Dauerprotesten den Abzug der syrischen Besatzungssoldaten aus dem Libanon und brachten eine pro-westliche Regierung an die Macht.

Die Hisbollah mit ihrem Heer eigener Parteigänger dominierte ebenfalls die Straße - um die Schmach der Syrer abzumildern. Nun, eineinhalb Jahre und einen Krieg mit Israel später, sieht es aus, als ob die Politik im Libanon gefährlich auf der Stelle tritt.

© SZ vom 2.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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