Letztes Geleit für Fritz Teufel:Trauerfeier der heiteren Art

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Alt-Kommunarden und ehemalige Terroristen nehmen in Berlin Abschied von Fritz Teufel, dem Politaktivisten der Studentenbewegung. Sie sehen ihre eigene Jugend auferstehen.

Constanze von Bullion

Sie kommen ohne Wasserpistole, aber gerüstet mit guter Laune, in Birkenstockschuhen, am Stock, auf steilen Absätzen oder im Rollstuhl. Kalle Pawla, der alte Spaßguerillero aus West-Berlin, der mal einen duftenden Haufen vor einen Richtertisch gesetzt hat, lächelt beseelt unterm Florentinerhut. Irmgard Möller, einzige Überlebende der Nacht von Stammheim, taucht vor der Aussegnungshalle auf. Sie trägt immer noch die Frisur eines Hippiemädchens, fällt immerfort jemandem um den Hals und schwatzt ein bisschen mit dem ehemaligen RAF-Verteidiger Christian Ströbele. Da saust schon Dieter Kunzelmann heran, der stets etwas verwirrt wirkende Ex-Sponti der Apo, er trägt einen Einkaufsbeutel, hat es eilig und kichert aufgeregt in sich hinein. Später sieht man ihn, angeblich mit einem Joint, hinter einem Baum.

Ein Bild neben dem Sarg erinnert an den prominenten Vertreter der 1968er-Bewegung. (Foto: dpa)

"Ich hab' heute 'nen Flash!", ruft Marianne Enzensberger und strahlt, so als sei sie auf Trip und nicht auf einer Trauerfeier. Die Dame mit dem langen lila Haar und der schwarzen Spitze am Bein ist nicht die einzige in die Jahre gekommene Kommunardin, die am Donnerstag auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin die eigene Jugend auferstehen sieht. Antje Krüger ist da, die Rainer Langhans in der Kommune 1 geliebt hat, und Langhans höchstselbst natürlich, mit gewichtiger Miene. Vom ehemals bewaffneten Arm der Bewegung haben sich auch Astrid Proll und Inge Viett eingefunden, um Abschied zu nehmen von einer Legende.

Fritz Teufel, Politaktivist der Studentenbewegung, Gründer der Kommune1, aufsässiger Clown und Irrläufer des bewaffneten Kampfes, ist mit 67 Jahren an den Folgen von Parkinson gestorben. Und weil er nicht nur eine Apo-Ikone war, sondern auch einer, der das Leben nicht übermäßig erst nahm, gerät seine Trauerfeier zu einem Familientreffen der eher heiteren Sorte.

"Wir trauern um einen großen Freund, um einen leidenschaftlichen Tischtennisspieler und einen Wiederentdecker des Fahrrads", sagt der Schriftsteller Ulrich Enzensberger in seiner Trauerrede. Fritz Teufel, der in den letzten Jahren seines Lebens als Fahrradkurier gearbeitet hat, sei keiner gewesen, der nach oben gebuckelt und nach unten getreten habe, sagt Enzensberger - auch er einst Kommunarde.

Er setzt dann zu einer Reise durch Teufels Vita an, die in der schwäbischen Heimat eines Jungen beginnt, dessen Bundeskanzler keinen Kranz in Auschwitz niederlegen will. Fritz Teufel will kommunistischer Schriftsteller werden, geht nach West-Berlin, gründet die Kommune1, wirft Mehltüten auf den Vizepräsidenten der USA, das geht als "Puddingattentat" in die Geschichte ein. Beim Schahbesuch 1967 wird er wegen Steinwurfs festgenommen, und er ist nicht nur als lustiger Sponti aktiv. 1975 nimmt man ihn mit scharfer Pistole und abgesägter Schrotflinte im Gepäck fest. Teufel hat sich im Sympathisantennetz des Terros verzettelt, wird wegen der Entführung des CDU-Politikers Peter Lorenz angeklagt.

Fünf Jahre sitzt er in U-Haft, erst als die Plädoyers gehalten werden, packt er aus: Er hat ein Alibi, hat zum Tatzeitpunkt Klodeckel in einer Essener Firma montiert. Teufel hat die Justiz vorführen wollen und verlässt das Gericht als freier Mann. "Wir haben lange gebraucht, um zu verstehen, worum es dir ging", sagt sein Bruder bei der Trauerfeier. Und dass er jetzt verstanden hat. Jemand singt dann zur Gitarre "He was a Friend of Mine". Da applaudieren die Trauergäste.

© SZ vom 16.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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