Lebensmittel im Müll:Einfach weggeworfen

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In Großbritannien verkommen jährlich mehr als vier Millionen Tonnen Lebensmittel - das kostet jeden Haushalt mehrere hundert Pfund. Die Ärmsten können sich unterdessen die Grundnahrungsmittel kaum noch leisten.

Verena Wolff

Der britische Premierminister Gordon Brown hat die Briten aufgefordert, der Einsparung von Lebensmitteln die gleiche Wichtigkeit beizumessen wie dem Energiesparen. Wie die britische Zeitung Guardian berichtet, werden in Großbritannien jährlich mehr als 4,1 Millionen Tonnen essbarer Lebensmittel vernichtet - das entspricht einem Wert von etwa 420 Pfund (529 Euro) pro Haushalt.

Während Arme hungern müssen, werfen die Reichen Lebensmittel in die Tonne. (Foto: Foto: dpa)

Für Deutschland gibt es nach Auskunft des Bundeslandwirtschaftsministeriums in Berlin keine amtlichen Zahlen darüber, wie viele Tonnen Lebensmittel pro Jahr auf dem Müll landen.

Zwar wolle niemand in der Downing Street den Wählern vorschreiben, was sie essen sollen und was nicht. Sicher ist laut Guardian aber, dass Premierminister Gordon Brown in Japan eine Sensibilisierung für das Problem fordern werde, denn steigende Lebensmittel- und Energiepreise dürften die Debatte unter den Staats- und Regierungschefs der acht wichtigsten Industrienationen dominieren.

"Wir müssen uns auch um den Überfluss kümmern"

Auf seinem Weg nach Japan sagte der Premierminister dem Blatt zufolge: "Wenn wir günstigere Lebensmittel haben wollen, müssen wir uns auch um den Überfluss kümmern." Dazu gehöre, dass weniger Abfälle anfallen - denn die kosten jeden britischen Haushalt pro Woche etwa acht Pfund.

Dabei will Brown zur Not auch auf Konfrontationskurs mit den USA gehen - denn er will ein Moratorium über Biokraftstoffe schließen, die als mitverantwortlich für die weltweit gestiegenen Lebensmittelpreise gelten. Gleich zwei Berichte hat die britische Regierung dem Guardian zufolge in Auftrag gegeben, um mit den notwendigen Daten und Fakten ausgerüstet zu sein.

Nachdem die Lebensmittelpreise zwischen 1985 und 2005 weitgehen stabil geblieben waren, steigen sie seit geraumer Zeit weltweit. Als Ursachen dafür hat der Regierungsbericht eine Kombination ausgemacht aus schlechten Ernten, höheren Energiekosten in der Landwirtschaft und den Kosten für den Transport der Güter, die Nutzung einiger Ressourcen für die Biokraftstoffe sowie den langfristig höheren Bedarf an Getreide, um die stetig wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. In den Entwicklungsländern besteht zudem die Gefahr, dass bis zu 40 Prozent der Ernten wegen unzureichender Verarbeitung, Lagerung und Transport nicht mehr zu gebrauchen ist.

Die Ärmsten leiden am meisten

In Großbritannien trifft die derzeitige Krise die Ärmsten am härtesten, so der Guardian. Die ärmsten zehn Prozent aller britischen Haushalte mussten in den Jahren 2005/2006 etwa 15 Prozent ihrer Ausgaben für Lebensmittel aufbringen - bei den reichsten zehn Prozent waren es nur sieben Prozent.

Haushalte mit geringem Einkommen müssen zudem proportional mehr für die täglichen Bedarfsgüter wie Milch, Eier und Brot zahlen - Produkte, bei denen die Preise derzeit am stärksten steigen.

Umweltminister Hilary Benn kündigte unterdessen an, dass der Druck auf die Lebensmittelpreise leicht fallen könnte - aber nur leicht. "Die Experten sagen, dass es leicht abwärts gehen könnte - aber die Preise werden nicht wieder dahin zurückgehen, wo sie noch vor einem Jahr waren", sagte er dem BBC Radio. Zudem sagte der Minister, die weltweite Lebensmittelproduktion müsse gesteigert werden, damit die Anforderungen der wachsenden Weltbevölkerung abgedeckt werden können. "In den kommenden 50 Jahren werden mehr als 2,5 Milliarden mehr Menschen auf diesem Planeten zu ernähren sein - darum brauchen wir eine erhebliche Steigerung bei der Lebensmittelproduktion, damit jeder genug zu essen hat."

"Wir müssen aufhören, die Lebensmittel wegzuwerfen"

Kirtana Chandrasekaran, Aktivistin bei der Organisation Friends of the Earth sagte dem Sender GMTV, es mache ihr Angst, dass die G 8 eine Politik verfolge, die die Ursache für die Lebensmittelkrise sei.

Die Menschen in den Entwicklungsländern müssten Ernten für sich selbst produzieren - nicht, um Tanks zu füllen oder Viehbestände in anderen Ländern zu füttern. "Wir müssen damit aufhören, die Lebensmittel wegzuwerfen", wird sie in der Zeitung zitiert. Dennoch sei die "Kriegserklärung gegen den Abfall" - die zur Lösung des Problems notwendig sei - eine Ablenkung vom tatsächlichen Problem: der Politik mit den Biokraftstoffen.

In einer Studie über die Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen von Ed Gallagher, dem Präsidenten der Renewable Fuels Agency, wird zudem zwischen schädlichen und harmlosen Biokraftstoffen unterschieden. Besonders kritisiert werden darin die Kraftstoffe, die aus Getreide gewonnen werden - denn bei ihrer Produktion werden gerade die armen Länder um die Fläche gebracht, den sie für den Anbau von Getreide brauchen, das sie zum Überleben benötigen. Hinzu komme, dass diese Kraftstoffe nahezu ebenso CO2-intensiv sind wie herkömmliches Benzin - wenn die Kosten für Produktion und Transport mit eingerechnet werden.

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