Leben in der Pandemie:Streamen, basteln, strampeln

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Die in Corona-Zeiten gesenkte Mehrwertsteuer hat tatsächlich die Kauflust der Deutschen beflügelt.

Von Cerstin Gammelin

Das Fitnessgerät "Peloton" - mit einer App für zu Hause - hat es in der Pandemie zu enormer Beliebtheit gebracht. Vor allem in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres stieg der Verkauf rasant an, der Börsenwert legte kräftig zu. Gesund bleiben, daheim trainieren, Indoor-Cycling war angesagt wie noch nie - und nun steht auch fest: Die große Koalition hat die Leibesübungen der Bürger durchaus befördert.

Mehr einkaufen gegen die Rezession. Unter diesem Motto hatten Union und SPD sich im Sommer 2020, mitten in der Pandemie, darauf verständigt, vorübergehend die Mehrwertsteuer zu senken und damit alles billiger zu machen. Statt 19 Prozent wurden nur noch 16 Prozent aufgeschlagen, ermäßigt fünf statt sieben. Die Leute sollten shoppen. Eine abschließende Analyse der Verbraucherpreisentwicklung im Auftrag des Verbraucherschutzministeriums zeigt nun, dass die Kundschaft das tatsächlich getan hat. Interessant ist: Was?

Um das zu erkunden, haben die Wissenschaftler vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim die Käufe in Deutschland mit denen in den Niederlanden verglichen. Denn auch ohne Preisnachlass hat die Pandemie dazu geführt, dass Menschen ihre Lebensgewohnheiten geändert haben. Wenn man die traditionell ähnlich einkaufenden Niederländer mit den Deutschen vergleicht, fällt auf: Dass plötzlich sechs Monate lang fast alles billiger war, hat die Bundesbürger tatsächlich dazu gebracht, von manchen Dingen noch mehr zu kaufen als ohnehin geplant gewesen war.

Die soeben beendete Analyse listet nicht nur auf, was die Menschen alles so gekauft haben. Aus den Zahlen lässt sich auch schlussfolgern, wie sie die Tage in der Pandemie verbracht haben. Verbindet man die Zahlen und Daten wie Punkte auf einem Bilderrätsel, entsteht das Bild eines modernen Couchpotatos.

So haben sich die Leute zu Hause eingerichtet. Im Baumarkt haben sie Paneele, Latten, Leitern und etliches mehr gekauft. Sie haben zugeschlagen bei Laptops, Tablets und Smartphones, bei LCD-Monitoren und Dockingstations. Sie haben mehr als üblich Spielkonsolen gekauft, Streamingdienste genutzt und zusätzliche Filme gebucht. Sie haben sich erst mehr Lebensmittel liefern lassen und später ganze Mahlzeiten. Man stellt sich den Bürger vor, der sich morgens vor die großen Bildschirme auf dem Küchentisch gesetzt hat, zwischendrin an den neuen Kühlschrank gegangen ist, abends auf das Sofa wechselte, einen Film kaufte oder die Spielkonsole anschaltete und sich Essen bestellt hat. Wie gut, mag mancher jetzt denken, dass es vorbei ist mit den Rabatten. (Und den Lockdowns).

In den ländlichen Regionen Deutschlands wurden pro Kopf ein paar Autos mehr gekauft als den Niederlanden. Aber insgesamt ist der Kfz-Absatz vergleichsweise wenig gestiegen. 7000 Wagen mehr errechnet die Studie. Geboomt haben dagegen Kühlschränke und Waschmaschinen.

Verbraucherschutzministerin Christine Lambrecht (SPD) ist zufrieden. Streamen, heimwerken und strampeln haben die Konjunktur um "mindestens 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts" gestützt. Und: Nach dem Ende der temporären Absenkung sind die Preise nicht stärker gestiegen, "es kam also nicht zu einer langfristigen Verteuerung durch die Mehrwertsteuersenkung".

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