Lange Wartezeit:Asylbewerber erzwingt Entscheidung

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Anwalt Andreas Neuhoff und der somalische Asylbewerber Ares Saeed M. im Verwaltungsgericht Osnabrück. 660000 Asylfälle sind noch nicht bearbeitet. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

16 Monate ohne Asyl-Bescheid sind zu lang: Ein Somalier gewinnt seinen Prozess gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Er floh vor der islamistischen Terrormiliz Al-Shabaab aus Somalia, diesem zerrissenen Land am Horn von Afrika. Der Verfolgte landete in Deutschland und beantragte am 4. Juni 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ordnungsgemäß Asyl. Er wurde dort nach sechs Wochen angehört, nur eine Entscheidung fiel bis heute nicht. Der 28-Jährige lebt wie gehabt in einem Wohnheim in Osnabrück, ist mit Billigjobs beschäftigt und kann seine Zukunft nicht planen. Jetzt hat er nach 16 Monaten geklagt - erfolgreich. Das Osnabrücker Verwaltungsgericht verfügte am Mittwochvormittag in erster Instanz, dass das Bamf nun binnen drei Monaten nach Rechtskraft des Urteils über den Somalier befinden muss.

Das kann die Behörde zwar anfechten und auf ein Berufungsverfahren vor dem niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hoffen. Doch vorläufig hat die Justiz beschlossen, dass das Bamf in diesem Fall zu langsam war und sich beeilen muss. Mit ihrer "Untätigkeitsklage", so heißt das, trafen der Somalier und sein Anwalt auf offene Ohren.

Das Gericht hält die Untätigkeitsklage für zulässig, das Bamf habe "ohne zureichenden Grund nicht in angemessener Frist über das Asylbegehren entschieden". Die Entscheidungsfrist sei nach 16 Monaten abgelaufen. Erstmals stellten Richter fest, dass sich das Bamf nicht auf eine vorübergehende Überlastung berufen könne, es sei von dauerhafter Überlastung auszugehen. Deshalb dürfe die Entscheidung laut des Asylverfahrensgesetzes maximal sechs Monate lang dauern. Die enorme Steigerung der Fälle in diesem Jahr sei nicht vorhersehbar gewesen, der Kläger hat seinen Antrag indes schon 2014 gestellt. Auch die bevorzugte Bearbeitung selbst später eingegangener Anträge von Menschen aus Syrien, Eritrea oder dem Westbalkan lasse sich nicht rechtfertigen.

Tatsächlich beträgt die durchschnittliche Bearbeitungsdauer im Bamf derzeit 5,4 Monate. Schneller geht es in der Regel bei Kosovaren (2,4 Monate) oder Albanern (3,4 Monate), die nahezu ausnahmslos keine Aufenthaltsgenehmigung bekommen, oder Syrern (4,2 Monate), die als Schutzbedürftige anerkannt werden. Laut Statistik dürfen drei von vier Somaliern bleiben. Wobei gemäß des Reglements Dublin III theoretisch manchmal andere EU-Erstaufnahmeländer zuständig sein sollen.

Insgesamt wurden von Januar bis September dieses Jahres 303 443 Asylanträge registriert, die meisten aus Syrien (73 615) und in Bayern (45 867). Ungefähr 550 Entscheider befinden darüber. Das Bamf solle sich dabei "auf den Kernbereich konzentrieren", fordert Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen, der das Osnabrücker Urteil begrüßt. Er kennt Immigranten, die seit mehr als 30 Monaten auf einen Bescheid warten.

© SZ vom 15.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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