Landwirtschaft:Sauerei

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Bauern und Handel wollen mit der "Initiative Tierwohl" eine artgerechte Haltung fördern - streiten aber und bewirken nur wenig. Nun schlagen Tierschützer Alarm.

Von Jan Heidtmann

Das Kilo Schweinebraten für 3,99 Euro, der Rollbraten zu 3,33 und Hähnchenschenkel, 1250 Gramm, gar für 3,49 - jetzt, da Deutschland komplett aus den Ferien zurückgekehrt ist, beginnen die Discounter die nächste Runde des Preiskampfs. Doch glaubt man ihren Beteuerungen, geht das nicht auf Kosten des Schlachtviehs. "Mit dem Kauf von Fleisch und Wurst von Schwein, Pute und Hähnchen aus unserem Sortiment unterstützen Sie den Wandel zu einer tiergerechten Haltung", steht auf den Packungen von Real, Aldi, Netto und anderen Supermärkten.

Was ziemlich unmöglich klingt, soll die "Initiative Tierwohl" möglich machen: Anfang 2015 haben sich Landwirte, Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels und der Fleischwirtschaft dazu verpflichtet, die Bedingungen für Mastschweine und Turbohühner zu verbessern. Dafür zahlt der Handel vier Cent pro verkauftem Fleischkilo an die Initiative. Ein Viertel der rund 27 Millionen deutschen Schweine lebten bereits mit etwas mehr Platz und Tageslicht, heißt es.

Doch inzwischen erscheint das, was unmöglich klingt, tatsächlich ziemlich unmöglich. In der Initiative ist jedenfalls Streit ausgebrochen. Anlass sind die neuen Verträge zwischen Bauern und Handel, die bis 2020 gelten sollen. Träten die diskutierten Vorschriften in Kraft, "stehen wir vermutlich vor dem größten Verbraucher- und Tierschutzbetrug, den es in Deutschland je gegeben hat", sagt Thomas Schröder, der Chef des Tierschutzbunds.

Doch Deutschlands bekannteste Tierschützer haben ein doppeltes Problem: Sie sind als Berater Teil der Initiative Tierwohl. Deshalb hat ihr Vorsitzender jetzt eine Mail mit umfangreichen Forderungen an die Initiative geschickt. Sollten sich Handel und Landwirte darauf bei einem Treffen an diesem Mittwoch nicht einigen können, will der Tierschutzbund seine Mitarbeit aufkündigen.

Steigen die Tierschützer aus, wäre der Ruf des Labels endgültig ruiniert. Schon jetzt erscheint die Initiative vor allem als Marketing-Gag. So prangt das Label der Initiative auf deutschem Schweine- und Hühnerfleisch, das in den beteiligten Geschäften zu bekommen ist. Doch ob das Stück Fleisch, das einer gerade kauft, tatsächlich unter die besseren Bedingungen der Initiative fällt, weiß niemand. Der Händler nicht, aber auch nicht der Kunde. Das Label bedeute nicht, "dass die erworbenen Produkte bereits vollständig aus teilnehmenden Betrieben der Initiative stammen", ist im Kleingedruckten zu lesen. "Tatsächlich ist es nicht sicher, ob es im jeweiligen Geschäft überhaupt ein 'Tierwohl'-Produkt gibt", kritisiert die Verbraucherzentrale.

Zudem gehen die Verbesserungen in der Tierhaltung, welche die Initiative von den beteiligten Landwirten verlangt, nur wenig über das hinaus, was gesetzlich längst vorgeschrieben ist. So muss unter anderem zwar Tageslicht in den Ställen garantiert und der Antibiotikaverbrauch der Tiere regelmäßig überprüft werden, einmal im Jahr auch das Stallklima.

Doch schon die geforderten zehn Prozent mehr Platz bedeuten für eine ausgewachsene Sau gerade einmal zusätzlichen Auslauf in der Größe eines DIN-A4-Blatts. Bleibe das so, "wären wir nicht mehr als ein Feigenblatt", heißt es beim Tierschutzbund.

© SZ vom 14.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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