Landwirtschaft:Dann eben nicht

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Schon mal vom Schweinezyklus gehört? Deutschlands Bauern halten 800000 Schweine weniger als noch im vergangenen Jahr - die Zucht der Tiere lohnt sich derzeit nicht für sie.

Von Jan Heidtmann

In Deutschland gibt es zurzeit 27,5 Millionen Schweine. Das entspricht der Einwohnerzahl von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zusammen. Nicht nur sprichwörtlich - vom "armen Schwein" bis zur "Rampensau" - ist das Borstenvieh der Deutschen liebstes Nutztier, sondern auch ganz praktisch. Der durchschnittliche Bundesbürger isst im Jahr neun Kilo Rind und gut elf Kilo Geflügel, aber 38 Kilo Schwein. Doch die Züchter schlagen Alarm, im Vergleich zum vergangenen Jahr ist die Zahl der Tiere in ihren Ställen drastisch zurückgegangen - um 800 000, wie das Statistische Bundesamt jetzt bekannt gab.

Grund ist der gesunkene Preis für Schweinefleisch. Der wird in Kilogramm Schlachtgewicht gemessen und liegt im Moment bei 1,25 Euro - eine Kurzstrecke mit der U-Bahn kostet mehr. "Das Schwein wird längst international vermarktet", sagt Michael Lohse vom Deutschen Bauernverband. "Denn der Deutsche will nur noch das Schnitzel." Die fetten Teile des Tieres wie der Bauch werden nach Russland verkauft; Nasen, Ohren und Füße gelten in China als Delikatesse. Seit gegen Russland wegen der Ukraine-Krise ein Embargo verhängt wurde und die Chinesen schlicht weniger Geld haben, gibt es auf den internationalen Märkten zu viel Schwein. Die Preise sinken. "Für jeden Tag, den ein Bauer derzeit sein Schwein hält, muss er Geld mitbringen", sagt Lohse. Kostendeckend ist ein Preis von etwa 1,50 pro Kilogramm Schlachtgewicht. Und um ein Ferkel aufzuziehen, zahlt ein Bauer etwa 60 Euro. Verkaufen kann er es gegenwärtig aber nur für 33 Euro.

Die Züchter sind Ungemach gewohnt. Das liegt an einer Besonderheit ihrer Märkte, des Schweinezyklus. Der Name geht auf den deutschen Agrarwissenschaftler Arthur Hanau zurück, in seiner Doktorarbeit beschrieb er bereits 1927, dass auf den Schweinemärkten auf ein Überangebot regelmäßig ein Unterangebot an Tieren folgt: Die Züchter können sich immer nur zeitversetzt auf Marktänderungen einstellen, da Schweine bis zur Schlachtreife etwa ein halbes Jahr benötigen. Die Folge sind seit jeher stark schwankende Preise im Handel mit Schweinen.

Die Bauern hätten daher gelernt, die dürren Zeiten gut zu überstehen, sagt Lohse. "Sie haben ja auch Geld verdient." Doch die Phasen hoher Preise gerieten inzwischen immer kürzer - und die niedriger Preise immer länger. Mehr und mehr Schweinezüchter müssten ihr Geschäft aufgeben. Allein in Baden-Württemberg hat in den vergangenen fünf Jahren jeder dritte Züchter die Schweinehaltung eingestellt.

Dass die Schweinezyklen nicht mehr funktionieren wie gewohnt, liegt an der weltweiten Konkurrenz. Der Wettbewerb ist inzwischen derart hart, dass das Preisniveau insgesamt gesunken ist. Gerade stocken Züchter in den USA ihren Bestand an Tieren auf. Gleichzeitig ist die Aufzucht der Schweine so weit durchrationalisiert, dass die Züchter kaum mehr Kosten sparen können. Die Franzosen haben das Schwein deshalb zur Chefsache gemacht: Präsident François Hollande erklärte es im Sommer kurzerhand zur "Pflicht" seiner Landsleute, heimisches Fleisch zu kaufen.

© SZ vom 28.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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