Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen:Hohe Gewinne für AfD

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Bei den Wahlen im Osten erleiden die Regierungsparteien CDU und SPD Verluste. Die bisherigen Koalitionen können nicht weitermachen. Die Grünen legen zu, die Linke verliert.

Von Robert Probst

Die Alternative für Deutschland (AfD) hat bei den beiden Landtagswahlen am Sonntag kräftige Gewinne erzielt. In Sachsen holte sie laut vorläufigem amtlichen Endergebnis sogar ein Rekordergebnis von 27,5 Prozent (2014: 9,7) der Zweitstimmen. Trotzdem reichte es in keinem Land, stärkste Kraft zu werden. In Brandenburg kam die AfD nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis auf 23,5 Prozent (2014: 12,2 Prozent); sie liegt hinter der SPD. Auch in Sachsen blieb nur der zweite Platz hinter der CDU. Obwohl keine Partei mit der AfD koalieren will, nannte Parteichef Jörg Meuthen das Ergebnis "ein Stück weit eine Zeitenwende".

Das Ergebnis ist zugleich eine Schlappe für die seit 29 Jahren in Sachsen regierende CDU und für die ebenfalls seit 29 Jahren in Brandenburg regierende SPD, wenn auch deren Verluste nicht ganz so hoch ausfielen wie befürchtet. In Dresden sagte Ministerpräsident Michael Kretschmer: "Wir haben es geschafft. Das freundliche Sachsen hat gewonnen." Laut vorläufigem amtlichen Endergebnis landete die CDU bei 32,1 Prozent (2014: 39,4 Prozent) - das ist das schlechteste CDU-Ergebnis in Sachsen jemals. Der bisherige Koalitionspartner SPD kam auf 7,7 Prozent, ebenfalls ein historischer Tiefstand, die Linke auf 10,4 Prozent. In Potsdam sprach Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) angesichts der lange Zeit verheerenden Umfragen von einem "sehr, sehr guten Ergebnis". Und fuhr fort: "Ich bin erstmal froh, dass das Gesicht Brandenburgs auch in Zukunft ein freundliches bleiben wird." Die SPD konnte 26,2 Prozent (2014: 31,9) verbuchen, das schlechteste SPD-Ergebnis im Land; die Linke - der bisherige Koalitionspartner - kam auf 10,7 und die CDU 15,6 Prozent.

Zweiter Gewinner des Abends sind die Grünen, die in beiden Ländern zulegen konnten, allerdings weniger, als sich die Partei erhofft hatte. In Brandenburg kamen sie auf 10,8 Prozent (2014: 6,2), in Sachsen auf 8,6 (2014: 5,7). Für die FDP reichte es in beiden Ländern nicht. In Brandenburg werden zudem die Freien Wähler (5,0 Prozent) in den Landtag einziehen.

Beatrix von Storch, Jörg Urban und Jörg Meuthen von der AfD feiern in Dresden. Ihre Partei ist in Sachsen und Brandenburg zweitstärkste Kraft. (Foto: Wolfgang Rattay/Reuters)

Die kommissarische SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig sagte: "Es ist erschreckend, dass eine Partei, die keine klare Trennlinie zum Rechtsextremismus zieht, von rund einem Viertel der Wählerinnen und Wähler unterstützt wird." Auch Vertreter der Wirtschaft, der Kirchen und von NS-Opferverbänden reagierten am Abend mit Sorge auf das starke Abschneiden der AfD. Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer gratulierte Michael Kretschmer per Twitter. Er habe die Wahl "mit positiver Kraft" gewonnen. Der frühere Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, der einige Zeit CDU-Wahlkampf in Sachsen gemacht hatte und wegen seiner rechtslastigen Thesen extrem polarisiert hatte, nannte das CDU-Ergebnis dagegen ein "Desaster".

Die beiden Wahlen gelten - zusammen mit der Thüringen-Wahl im Oktober - als Abstimmung einer Großzahl der Ostdeutschen über den Zustand der Einheit 30 Jahre nach dem Mauerfall. Von der teils realen und oft nur gefühlten Kluft zwischen Ost und West hat die AfD dabei in hohem Maße profitiert. Starke Wahlergebnisse für die AfD sind aber seit der Flüchtlingskrise von 2015 und der immer deutlicheren Orientierung der Partei nach rechtsaußen keine Seltenheit mehr. Bei der Wahl in Sachsen-Anhalt holte sie 2016 24,3 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern 20,8 Prozent der Zweitstimmen. Bei der Europawahl im Mai errang die AfD deutschlandweit zwar nur knapp elf Prozent, wurde aber in Sachsen (25,3 Prozent) stärkste Partei, ebenso in Brandenburg (19,9 Prozent), jeweils vor der CDU. Auch bei der Bundestagswahl 2017 hatte die AfD schon in Sachsen die meisten Stimmen geholt.

Beide Ministerpräsidenten kündigten an, bald Sondierungsgespräche führen zu wollen. Jeder braucht einen dritten Koalitionspartner. In Frage käme in Brandenburg ein rot-rot-grünes Bündnis oder eine Koalition aus SPD, CDU und Grünen. Sowohl Grüne als auch CDU signalisierten am Abend Gesprächsbereitschaft für diese "Kenia-Koalition". Diese Konstellation hätte auch in Sachsen eine Mehrheit. Da Kretschmer mit den Linken kein Bündnis eingehen will, dürfte "Kenia" seine einzige Option sein.

Weil die Landesliste der AfD in Sachsen wegen Formfehlern auf 30 Kandidaten gekürzt wurde, könnte die Partei Probleme bekommen, alle ihr voraussichtlich zustehenden 39 Mandate zu besetzen. AfD-Landeschef Jörg Urban erklärte, wegen dieser Benachteiligung vor dem "Verfassungsgericht eine Neuwahl erstreiten" zu wollen.

Die Wahlbeteiligung war höher als vor fünf Jahren. Sie lag in Sachsen bei 65 Prozent (2014: 49,2 Prozent), in Brandenburg bei 61,3 Prozent (47,9 Prozent). Die starke Polarisierung im Wahlkampf mobilisierte vor allem bisherige Nichtwähler, die allermeisten von ihnen stimmten für die AfD.

© SZ vom 02.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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