Landtagswahl in Tirol:Parteirebell lässt ÖVP zittern

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Volkspartei und Sozialdemokraten haben in dem österreichischen Bundesland herbe Verluste erlitten. Die Konservativen müssen sogar erstmals seit 60 Jahren um ihre Regierungsfähigkeit bangen.

Michael Frank, Wien

Bei der Landtagswahl im westösterreichischen Bundesland Tirol am Sonntag haben beide Koalitionsparteien eine bittere Niederlag erlitten. Die Österreichische Volkspartei (ÖVP), die seit 1945 den Landeshauptmann (Ministerpräsidenten) stellt, ist ersten Hochrechnungen zufolge mit einem Verlust von neun Prozentpunkten auf gut 40 Prozent abgerutscht.

Landeshauptmann Herwig van Staa (li.) mit einem Schützenkommandanten (Foto: Foto: dpa)

Schlimmer noch traf es den kleinen Koalitionspartner, die Sozialdemokratische Partei (SPÖ), die von knapp 26 Prozent auf 15 Prozent zurückfiel. Damit verlor sie zwei Fünftel ihrer Wählerschaft und auch den zweiten Platz im Parteienspektrum.

Landeshauptmann Herwig van Staa war von einem Parteifreund, dem früheren Arbeiterkammerpräsidenten Fritz Dinkhauser, herausgefordert worden. Der hatte das ÖVP-geführte Tirol als sozial kalte "Oligarchie" und als vom Bauernbund beherrscht beschimpft.

Obwohl er nach wie vor ÖVP-Mitglied ist, trat er mit einer eigenen Liste zur Wahl an, die auf Anhieb mehr als 19 Prozent erreichte. Sie ist damit zweitstärkste Partei.

Grüne sacken ab

Die Grünen, die in keinem Bundesland traditionell so stark waren wie in Tirol, hofften vergeblich auf ein gutes Wahlergebnis. Sie sackten zu Gunsten Dinkhausers von mehr als 15 auf zehn Prozent ab und bilden damit wieder das Schlusslicht im Landesparlament. Denn die rechtsradikale Freiheitliche Partei (FPÖ) sprang von etwa acht auf gut elf Prozent.

Alle vor der Wahl erwogenen Koalitionsmöglichkeiten funktionieren nicht. Für ein Bündnis von Dinkhauser, SPÖ und Grüne reicht das Ergebnis nicht, da das Wahlsystem die stimmenstarken Parteien bei der Sitzvergabe stark bevorteilt. Nicht einmal eine Koalition der ÖVP mit ihrem Dissidenten Dinkhauser würde für eine Mehrheit reichen: Sie hätte nur 23 der 36 Sitze. Herwig van Staa und Dinkhauser hatten jede Koalition miteinander ausgeschlossen.

Als Kompromisskandidat wird seit längerer Zeit der aus Tirol stammende Wiener Innenminister Günther Platter (ÖVP) gehandelt. Das Ergebnis wird die Position des SPÖ-Parteichefs und Bundeskanzlers Alfred Gusenbauer weiter schwächen. Die Wahlbeteiligung lag über dem historischen Tief von 60,9 Prozent im Jahr 2003; auch weil erstmals die Jugendliche ab 16 mitwählen durften.

© SZ vom 9. Juni 2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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