Landtag:Harte Kritik im Kieler Landtag an radikalen Klimaprotesten

Lesezeit: 3 min

Ein Aktivist der Klimaschutz-Initiative „Letzte Generation“ ist mit der Hand auf die Straße geklebt. (Foto: Matthias Balk/dpa/Symbolbild)

Demonstrationen legitim, aber Straftaten nicht hinnehmbar - so bewertet der schleswig-holsteinische Landtag radikale Protestaktionen von Klimaschützern. In der Einschätzung bestimmter Punkte gibt es aber auch Differenzen.

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Kiel (dpa/lno) - Die radikalen Proteste von Klimaschützern der Gruppe Letzte Generation sind im schleswig-holsteinischen Landtag auf massive Kritik gestoßen. Aktionen wie Straßenblockaden oder Beschädigungen von Kunstwerken erwiesen dem Klimaschutz einen Bärendienst, war der parteienübergreifende Tenor einer Debatte dazu am Freitag. „Es gibt keine guten und keine schlechten Straftaten“, sagte der Innen- und Rechtspolitiker Tim Brockmann von der CDU unter viel Beifall. Darin seien alle Fraktionen einig, betonte SPD-Fraktionschef Thomas Losse-Müller.

Zu dem Thema hatte die FDP einen - im Plenum dann abgelehnten - Antrag eingebracht. Die bisherigen Bemühungen um einen effektiven Klimaschutz reichten nicht aus, heißt es darin. Radikale Proteste wie gefährliche Eingriffe in den Straßen- oder Flugverkehr, die Gefährdung von Menschenleben oder Beschädigungen an Kunstwerken und Gebäuden dürften aber nicht geduldet werden. Extremismus fange da an, wo Aktivisten für ihren Protest bewusst Gesetze brechen.

Das Begehen von Straftaten mache die Bewegung nicht extremistisch, hielt Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter unter Berufung auf Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang dagegen. Er habe Verständnis für die Verzweiflung von Klimaschützern. Auch sei die Straße immer Ort des Protestes gewesen. Aber der Akzeptanz des Klimaschutzes seien bestimmte Aktionen nicht hilfreich, sagte Petersdotter. „Es ist dünnes Eis, als Parlamentarier die Legitimität von Protest bewerten zu wollen.“ Es dürften aber nie Menschen durch Protest gefährdet werden.

„Auch ich verstehe den Klimawandel als eine der drängendsten Herausforderungen unserer Zeit“, sagte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU). Sie verstehe es auch, dass sich gerade junge Menschen für einen lebenswerten Planeten einsetzen. Auch ungewöhnliche Formen des Protests gehörten dazu. „Was nicht dazu gehört, sind Rechtsbrüche. Der Verstoß gegen das Gesetz darf nicht als legitimes Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele angesehen werden.“

Die Versammlungsfreiheit sei von den Behörden inklusive Polizei meinungsneutral zu gewährleisten, sagte die Innenministerin. Einige Belästigungen bei Protesten seien hinzunehmen. Aber die gegenwärtige Entwicklung betrachte sie mit Sorge. „Zentrale staatliche Aufgabe bleibt es, die Bürgerinnen und Bürger vor den durch die rechtswidrigen Aktionen verursachten Gefahren zu schützen.“ Proteste dürften kreativ sein und auch stören. „Aber legitimer Protest findet spätestens dort seine Grenzen, wo Leib und Leben von Menschen gefährdet werden.“ Dies gelte auch, wenn der Protest sich einem guten Ziel wie dem Klimaschutz verschreibt.

„Wer Straftaten begeht, beschädigt am Ende nur das Anliegen des Klimaschutzes“, sagte Sütterlin-Waack. „Und damit schadet er uns allen.“ Denn die Zukunft des Lebens hänge vom gemeinsamen und konsequenten Kampf gegen den Klimawandel ab.

Bei der Ausübung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit müssten auch Störungen hingenommen werden, sagte der SPD-Innenpolitiker Kai Dolgner. Die Grenzen setze das Strafrecht, auch wenn das Ziel ein gutes sei. „Wer sagt denn, was gut und heilig ist?“ Terrorismusvergleiche seien allerdings unangemessen. „Ich bin immer gespannt, mit welchen weiteren Forderungen uns die CSU noch beglücken wird. Ich rechne fest mit einer Meldepflicht beim Kauf von mehr als drei Tuben Sekundenkleber.“ Die SPD halte den bestehenden rechtlichen Rahmen für ausreichend.

„Ich kann den Unmut und die Ungeduld vieler junger Menschen verstehen“, sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Christopher Vogt. „Wer zu Recht mehr Respekt vor den natürlichen Lebensgrundlagen einfordert, sollte aber auch Respekt vor der parlamentarischen Demokratie und dem Rechtsstaat haben.“ Die größte Gefahr für die Demokratie gehe ganz klar von Rechtsaußen aus. Das heiße aber nicht, dass man andere und auch neue Formen des Extremismus nicht ernst nehmen müsste. „Eine Gruppierung, die erklärt, dass sie ein Widerstandsrecht gegen demokratisch getroffene Entscheidungen hat und dauerhaft dagegen vorgehen zu wollen und damit die Legitimität der staatlichen Ordnung zutiefst infragegestellt, ist mindestens an der Grenze zum Extremismus“, sagte der Jurist Bernd Buchholz (FDP).

Auch SSW-Faktionschef Lars Harms unterstützte das Engagement junger Menschen für den Klimaschutz. Gefährliche Eingriffe in den Straßen- und Flugverkehr oder das Gefährden von Menschenleben seien nicht hinnehmbar, auch wenn das Demonstrationsrecht und die Versammlungsfreiheit ein hohes Gut seien. Von Extremismus und Terrorismus seien die Aktionen aber weit entfernt. Allerdings seien sie eher der Sache nicht dienlich.

Vor vor dem Parlamentsgebäude demonstrierten vier Aktivisten - nicht von der Letzten Generation - mit einem Transparent „Kriminalisierung vom Klimaschutz stoppen“. Da eine größere Dimension befürchtet wurde, bewachte die Polizei das Parlamentsgebäude.

© dpa-infocom, dpa:221215-99-916328/4

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: