Landeskriminalamt:"Ihre eigene Prahlerei wird ihnen zum Verhängnis"

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Daniel Heinke, 45 Jahre alt, ist Leiter des Landeskriminalamts Bremen. Der ehemalige Staatsanwalt für Kapitalverbrechen ist zugleich Bundeswehr-Oberstleutnant der Reserve. (Foto: oh)

Ein Ermittler über die Beweissicherung gegen zurückgekehrte IS-Terroristen.

Interview von Ronen Steinke

Seit einigen Wochen schiebt die Türkei mutmaßliche Anhänger der Terrormiliz "Islamischer Staat" nach Deutschland ab - bislang vor allem Ehefrauen von Kämpfern und ihre Kinder. Aber auch IS-Terroristen sollen abgeschoben werden - deutsche Strafverfolger wie Daniel Heinke stellt das vor Herausforderungen.

SZ: Herr Heinke, wenn Dschihadisten aus dem früheren Gebiet des IS zurück nach Deutschland kommen, haben Sie dann genügend Beweismittel , damit diese belangt werden können?

Daniel Heinke: Mit ganz leeren Händen stehen wir nicht da. Aber häufig beschränken sich unsere Beweise tatsächlich leider auf Fotos oder Videoaufnahmen, welche die Beschuldigten oder ihre Kameraden nicht selten selbst im Netz gepostet haben. Das heißt, ihre eigene Prahlerei wird ihnen zum Verhängnis.

Mit anderen Worten: Wer klug genug war, nichts bei Facebook zu posten, der ist fein raus?

Das ist eine Gefahr. Es gibt gelegentlich auch noch Zeugenaussagen, aber die sind häufig wenig konkret oder wenig belastbar. Harte, physische Beweise aus dem Kriegs- und Krisengebiet sind leider nur selten zu bekommen. Damit dürfen wir uns nicht abfinden. Deshalb ist es dringend erforderlich, dass die westliche Welt sich auf einen Mechanismus verständigt, wie wir solche Beweismittel in Zukunft besser nach Europa holen.

Was heißt das?

Wenn westliche Soldaten oder Nachrichtendienstler im Irak oder in Syrien agieren, dann wäre es gut, wenn sie immer auch im Hinterkopf haben würden, dass die Terroristen, gegen die sie vorgehen, später auch strafrechtlich verfolgt werden sollen. Das heißt: Spuren sichern. Das beißt sich häufig mit ihrer primären, militärischen Mission.

Wieso?

Wir haben in der westlichen Welt aus guten Gründen eine strenge Trennung zwischen äußerer und innerer Sicherheit - Militär einerseits, Polizei und Staatsanwaltschaft andererseits. Das Problem des internationalen Terrorismus steht dazu aber quer. Das bedeutet: Obwohl unsere westlichen Soldaten ganz andere Ziele haben als Strafverfolgung, müssten sie trotzdem auch schon Fingerabdrücke sichern, DNA-Spuren und so weiter. Das hat keinen unmittelbaren militärischen Wert. Aber wenn sich das Militär nicht darum kümmert, dann sind diese Beweise für uns Strafverfolger häufig verloren.

Deutsche Soldaten befinden sich ja nicht in den ehemaligen IS-Gebieten. Sie sprechen also von amerikanischem Militär?

Die Amerikaner sind da bereits Vorreiter. In viele Einheiten des US-Militärs sind Agenten des FBI oder des Naval Criminal Investigative Service, NCIS, eingebettet. Das könnten wir Europäer uns zum Vorbild nehmen und zum Beispiel eigene Kriminalbeamte schicken. Denkbar wäre aber auch, dass lediglich die schon vorhandenen Soldaten eine Zusatzausbildung erhalten.

Der BND beteiligt sich bereits an dieser Beweissicherung gegen IS-Mitglieder, dies läuft unter der Federführung der amerikanischen CIA. Auch das Bundeskriminalamt hat zu diesem Zweck gerade zwei Beamte nach Jordanien entsandt.

Das begrüße ich sehr. Das kann aber erst der Anfang sein. Der Informationsfluss ist bislang noch schwerfällig.

Wenn Sie sich auf die Zuarbeit ausländischer Geheimdienste verlassen müssen: Wie sicher können Sie sein, dass Beweise nicht unter Folter oder anderen dubiosen Umständen zustande gekommen sind?

Das ist ein zentraler Punkt. Deshalb ist es sehr wichtig, dass künftig viel genauer dokumentiert wird, wie Zeugenaussagen vor Ort zustande gekommen sind oder wie ein Beweismittel gefunden worden ist. Nur dann können solche Beweise für uns gerichtsverwertbar sein. Da brauchen wir sehr genaue Regeln. Anders können wir als Rechtsstaat nicht arbeiten. Es muss immer sichergestellt sein, dass ein späterer Angeklagter die Möglichkeit hat, sich gegen Vorwürfe zu verteidigen. Es muss für ihn nachvollziehbar sein, auf welche Weise die echten oder angeblichen Beweise erhoben worden sind.

© SZ vom 14.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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