Lage am Hindukusch:Afghanistan ist noch nicht verloren

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Niemand garantiert den Afghanen Sicherheit, und dies ist der Hauptgrund dafür, dass die Taliban wieder Rückhalt finden in der Bevölkerung. Der Westen muss sich stärker engagieren, mehr Aufbauhelfer schicken - und mehr Soldaten.

Peter Münch

Aus dem Süden kommen die üblichen Gefechtsmeldungen, in Zentralafghanistan wird um das Leben von Geiseln aus Deutschland und Südkorea gerungen, und auch jenseits der Grenze in Nord-Waziristan toben heftige Kämpfe zwischen pakistanischen Sicherheitskräften und den Taliban.

Ein Flächenbrand ist das noch nicht, es gibt immer noch Regionen der relativen Ruhe in Afghanistan. Doch die hehren Pläne von der Demokratisierung und vom Wiederaufbau am Hindukusch drohen im allgemeinen Getümmel unterzugehen.

Ein geschlossenes Konzept, mit dem die Weltgemeinschaft auf die neuen Herausforderungen in Afghanistan reagieren könnte, ist jedoch nirgends zu sehen. Die einen suchen das Heil in militärischer Stärke, die anderen sehen gerade im massiven Militäreinsatz den Grund allen Übels.

Jeder scheint das Land auf seine eigene Art retten zu wollen, und manche wollen offenbar vor allem sich selber retten aus einer heillos erscheinenden Lage, zumal dann, wenn die eigenen Soldaten Opfer von Selbstmordanschlägen oder die eigenen Bürger das Ziel von Entführern werden.

Halbherziges Engagement des Westens

Kein Wunder, dass bei einer solchen Kakophonie viel zerstört wurde von der Hoffnung, mit der die Afghanen die westlichen Soldaten und Helfer Ende 2001 begrüßt hatten. Damals hatten die Menschen wirklich genug vom Tugendterror der Taliban. Sie fühlten sich befreit, und sie glaubten den Versprechungen von Frieden, Stabilität und Wohlstand.

Weil das internationale Engagement - auch belastet durch den Irak-Sog - jedoch von Beginn an halbherzig war, blieben das für die allermeisten Afghanen leere Worte. Außerhalb von Kabul spüren die Menschen bis heute wenig vom Wiederaufbau. Niemand garantiert ihnen Sicherheit, und dies ist der Hauptgrund dafür, dass die Taliban wieder Rückhalt finden in der Bevölkerung.

Aber es ist gewiss noch nicht die Mehrzahl der Afghanen, die den Westen verdammt und die Taliban zurückwünscht. Die Mehrheit schweigt und duckt sich weg. Aus leidvoller Erfahrung warten diese Menschen ab, wohin der Krieg sich dreht, um am Ende bloß nicht bei den Verlierern zu sein. Das heißt aber auch, dass die Afghanen immer noch zu gewinnen wären für das Aufbau-Projekt.

Dazu müsste der Westen sich jedoch auf eine gemeinsame Strategie einigen, die durchaus ein Mittelweg sein könnte zwischen der Politik militärischer Stärke und der Ausweitung des zivilen Wiederaufbaus. Mit militärischen Mitteln allein, das ist mittlerweile eine Binsenweisheit, ist dieser Krieg nicht zu gewinnen. Andererseits macht der Bau von Straßen und Schulen aus Afghanistan noch längst kein friedliches Land.

Wer also den Afghanen mit Hilfsprojekten bessere Lebensperspektiven geben will, der sollte auch bereit sein, diese Aufbauarbeit notfalls mit noch mehr Soldaten abzusichern. Und das alles erfordert vor allem eines: Die Bereitschaft zu einem langfristigen Engagement.

© SZ vom 23.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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