Länderfinanzausgleich:Lieber nicht zu viel erwarten

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Dieses System ist unfassbar kompliziert, abgekartet und vermachtet. Es gehört dringend reformiert, also dieses Jahr. Denn danach kann man's vergessen.

Von Guido Bohsem

Roman Herzog hat sich in seiner Zeit als Politiker dreimal mit dem Länderfinanzausgleich beschäftigt. Stets, erzählte er jüngst, habe er die Regeln für die Geldströme zwischen Bund und Ländern sowie unter den Ländern innerhalb eines Vierteljahres wieder vergessen. "Es ist eine Schande", empört sich der Altbundespräsident. Er meint nicht sein Gedächtnis, sondern den Finanzausgleich - ein System, das derart kompliziert, abgekartet, vermachtet und festgefahren ist wie kaum ein anderes in Deutschland.

Die politische Klasse hätte es in diesen Monaten in der Hand, daran etwas zu ändern. Bundesregierung, Bundestag, Ministerpräsidenten und Landtage: Sie alle könnten der Schande ein Ende bereiten und den Weg für ein einfacheres, vor allem aber transparenteres System frei machen. Es stünde ihnen frei, einen Finanzausgleich zu ersinnen, in dem die Steuerzahler in Bayern nachvollziehen können, warum und wie ein Teil ihrer Steuergelder nach Berlin wandert. Sie könnten den finanzschwachen Ländern im Osten dauerhaft Hilfe zusichern und für Entlastung in den leidenden Kommunen im Westen sorgen.

Sie schaffen es nicht. Es fällt ein jeder Ansatz durch, der mehr will, als die geltenden Regeln einfach nur noch komplexer zu gestalten. Die Geberländer wollen weniger zahlen und die Nehmerländer nichts abgeben, und Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich auf Druck von Horst Seehofer festgelegt, den Solidaritätszuschlag vom Jahr 2020 an abzuschmelzen. Der hätte mit seinen milliardenschweren Erträgen den Schmierstoff für einen Kompromiss bieten können. Ganz abgesehen davon, dass Merkel und Seehofer damit auch Finanzminister Wolfgang Schäuble düpierten, der diesen Lösungsansatz zuvor verfolgt hatte.

Roman Herzog spricht von einer "Schande". Es ist eine, die bleibt

Jetzt läuft der Regierung und den Ministerpräsidenten die Zeit davon. Im vergangenen Jahr scheiterte der erste Reformversuch, weil keiner von seinen Positionen lassen wollte. Noch nicht einmal die Länder untereinander konnten sich auf eine gemeinsame Haltung verständigen.

Bis Juni soll es einen neuen Anlauf geben. Ob der gelingen kann, daran zweifeln inzwischen auch diejenigen unter den Verhandlern, die sich wie Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil für Optimisten halten. Doch darf dieses Jahr nicht ungenutzt verstreichen. Es ist die letzte Gelegenheit für die große Koalition, die wohl wichtigste und schwierigste Reform der Legislaturperiode zu bewältigen. Auf das Jahr 2016 sollte keiner mehr setzen. Denn im Laufe des kommenden Jahres wird in fünf Ländern neu gewählt, darunter auch in so wichtigen Bundesländern wie Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Und 2017 ist ohnehin mit keiner großen Politik mehr zu rechnen, denn im Herbst steht die nächste Bundestagswahl an. Die Monate davor werden für Wahlkampf draufgehen, und nicht für die Frage, ob die sogenannte Einwohnerveredelung im Länderfinanzausgleich nun eine unfaire Bevorzugung der Stadtstaaten darstellt.

Es ist eine Schande, und trotzdem muss man die Erwartungen an die Reform reduzieren. Die knapp drei Monate bis Juni reichen mit Sicherheit nicht aus, um Eckpunkte für ein neues System zu finden, die dann nach der Sommerpause noch in ein Gesetz gegossen werden müssten. Und vielleicht waren diese Erwartungen ja sogar von Anfang an eine Überforderung, insbesondere für die Länder. Denn diese stehen im Zeichen der Schuldenbremse, dürfen nach 2019 keine neuen Schulden mehr aufnehmen. Schon jetzt ist klar, dass Bremen und das Saarland das nicht schaffen werden. Die anderen Länder steuern weiter auf das Ziel zu, manche mit Ach und Krach - keines von ihnen will und kann es sich jedenfalls leisten, nach der Reform des Länderfinanzausgleichs weniger Geld zu haben als vorher.

© SZ vom 27.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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