Labour:Fliegende Backsteine

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In seiner Fraktion isoliert, bei der Basis beliebt: Labour-Chef Jeremy Corbyn. (Foto: Jack Taylor/Getty Images)

In der Partei wird nicht mehr nur mit Worten um die richtige Besetzung der Führungsspitze gestritten. Es gibt Hetzparolen, Todesdrohungen und sogar eingeschmissene Fensterscheiben.

Von Alexander Menden

Was unter gewöhnlichen Umständen eine Ungeheuerlichkeit darstellen würde, wird gegenwärtig bei Labour nur noch am Rande wahrgenommen. Das Exekutivkomitee der Partei hatte am Dienstag in geheimer Abstimmung entschieden, den Amtsinhaber Jeremy Corbyn bei der Neuwahl zum Parteivorsitzenden zuzulassen ohne eine erneute formelle Nominierung durch mindestens 51 Labour-Parlamentarier. Sofort gab es Spekulationen darüber, die innerparteilichen Corbyn-Gegner könnten diese Entscheidung gerichtlich anfechten - normalerweise eine undenkbare Option. Aber da es nicht so aussah, als habe ein solcher juristischer Schritt Aussicht auf Erfolg, wurde die Idee rasch wieder kassiert.

Die Spaltung der Partei ist längst nicht mehr ausgeschlossen

Die Grabenkämpfe zwischen Pro- und Anti-Corbyn-Kräften haben eine neue Eskalationsstufe erreicht. Das Wahlkreisbüro von Angela Eagle, die im Wettbewerb um den Parteivorsitz gegen Corbyn antreten wird, war vor der entscheidenden Sitzung des Exekutivkomitees angegriffen worden, ein Backstein flog durchs Fenster. Margaret Hodge, eine ausgesprochene Corbyn-Kritikerin, gab am Mittwoch bekannt, sie habe zwei antisemitische E-Mails bekommen und mache die Corbyn-Seite dafür verantwortlich. Jeremy Corbyns engster Vertrauter, Labours finanzpolitischer Sprecher John McDonnell, reagierte mit dem Hinweis, auch Corbyn habe Todesdrohungen erhalten. All das sei kein Problem der Partei, sondern auf die unruhige Lage im Land zurückzuführen.

Während sich auf der anderen Seite des britischen Unterhauses die Tory-Regierung erstaunlich rasch neu formiert, bricht die größte Oppositionspartei weiter auseinander. Eine dauerhafte Spaltung in zwei Parteien wird längst nicht mehr ausgeschlossen. Dadurch, dass Corbyn nun automatisch auf den Wahlzettel kommt, haben die Rebellen, zu denen mittlerweile fast alle Labour-Abgeordneten gehören, ihre beste Option verloren, ihn aus dem Rennen zu nehmen. In seiner eigenen Fraktion ist der Vorsitzende völlig isoliert - ein Misstrauensvotum verlor er zuletzt mit 172 zu 40 Stimmen. Corbyn hätte niemals die nötigen Stimmen zur erneuten Nominierung bekommen. Doch nach der Entscheidung des Exekutivkomitees und der Ankündigung der Gewerkschaften, ihn zu unterstützen, stehen seine Chancen gut, von der Parteibasis im Amt bestätigt zu werden. Und das, obwohl die Wahlregeln zu seinen Ungunsten geändert wurden: Teilnehmen dürfen nur Mitglieder, die vor dem 12. Januar dieses Jahres in die Partei eintraten. Die mehr als 100 000 allem Anschein nach überwiegend Corbyn-freundlichen Neuzugänge der letzten Wochen sind von der Abstimmung ausgeschlossen.

Nachdem Angela Eagle, die erst vor gut zwei Wochen aus Corbyns Schattenkabinett zurückgetreten war, am Montag ihre Kandidatur angekündigt hatte, gibt es nun noch einen weiteren Herausforderer: Der walisische Unterhausabgeordnete Owen Smith will sich ebenfalls zur Wahl stellen. Auch Smith saß in Corbyns Schattenkabinett, auch er entzog ihm nach dem EU-Referendum das Vertrauen. Corbyn selbst gab sich optimistisch, als klar war, dass er zur Wahl zugelassen sein würde: Er werde sich in seiner Wahlkampagne für alles einsetzen, was wichtig sei, sagte er - vor allem "jungen Menschen im ganzen Land Hoffnung zu geben".

© SZ vom 14.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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