Kuwait:Protest an der Urne

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Freude über den Sieg: Rakan Al Nesif hat einen Sitz im Parlament von Kuwait errungen. (Foto: Raed Qutena/dpa)

Kostenlose Bildung, Jobgarantie. Kuwait ist finanziell einiges gewöhnt - bis der Ölpreis abstürzte. Die Regierung spart, das beflügelt die Opposition.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Im Golf-Emirat Kuwait haben oppositionelle Kandidaten und mit ihnen verbündete Unabhängige bei der vorgezogenen Parlamentswahl die Mehrheit der gewählten Mandate nur knapp verfehlt. Wie die Kuwait Times mit Blick auf die von der Wahlkommission veröffentlichten Ergebnisse berichtete, errangen Kandidaten oppositioneller Gruppen mindestens 15 der 50 durch Wahl bestimmten Sitze, zudem zogen sieben bis zehn Abgeordnete in die Volksvertretung ein, die der Opposition nahestehen. Das Ergebnis gilt als Ausdruck der Unzufriedenheit mit Sparmaßnahmen, mit denen Regierung und Parlament auf den Absturz der Ölpreise reagiert hatten.

Kuwait finanziert seinen Haushalt zu 90 Prozent aus Öleinnahmen

Wie der große Nachbar Saudi-Arabien hatte Kuwait die Subventionen für Wasser, Strom und Treibstoffe massiv zusammengestrichen; Benzin wurde um bis zu 80 Prozent teurer. Tausende Ölarbeiter hatten gegen Einschnitte im Staatsdienst gestreikt. Nach 15 Jahren mit Überschüssen wies Kuwait im abgelaufenen Haushaltsjahr ein Defizit von umgerechnet 15 Milliarden Dollar aus, 13,3 Prozent der Wirtschaftsleistung; die Weltbank gibt sie mit 112,8 Milliarden Dollar für 2015 an. Für das laufende Haushaltsjahr hatte die Regierung mit 30 Milliarden Dollar Defizit kalkuliert, allerdings einen Ölpreis von 25 Dollar pro Barrell zugrunde gelegt. Inzwischen ist er auf 47 Dollar gestiegen. Kuwait finanziert seinen Haushalt zu 90 Prozent aus Öleinnahmen.

Das Emirat, mit 17 800 Quadratkilometern annähernd so groß wie Sachsen, gewährt der Bevölkerung ein kostenloses Bildungssystem und freie Gesundheitsversorgung, einen garantierten Arbeitsplatz und das Recht auf eine Wohnung. Nach Angaben der Statistikbehörde leben 4,4 Millionen Menschen in Kuwait, 70 Prozent von ihnen Ausländer. Wahlberechtigt waren 480 000 Bürger im Alter über 21 Jahren, etwa 70 Prozent gaben ihre Stimme ab.

Islamisten der Islamischen Verfassungsbewegung, dem kuwaitischen Ableger der Muslimbruderschaft, stellen die stärkste Oppositionsgruppe. Sie gewannen vier Mandate und brachten weitere Verbündete ins Parlament. Die Zuordnung der Parlamentarier zu Blöcken ist eher lose, weil Parteien nicht zugelassen sind. Salafisten gewannen ebenfalls vier Mandate ebenso Kandidaten, die von liberalen Jugendbewegungen unterstützt wurden. Die Opposition trat nach ihrem Boykott im Dezember 2012 wieder an; sie hatte sich von Wahlrechtsänderungen benachteiligt gefühlt. Die schiitische Minderheit, ein Drittel der Staatsangehörigen, sackte von neun auf sechs Sitze ab, von einflussreichen Stämmen unterstützte Vertreter erhielten neun Sitze. Sie gelten als konservativ und als Bündnispartner der Islamisten. Von 15 Kandidatinnen wurde nur eine Frau gewählt, obwohl Frauen die Mehrheit der Wahlberechtigten stellen.

Das Parlament in Kuwait ist verglichen mit anderen Golf-Monarchien und vielen arabischen Ländern einflussreich - wenn auch längst nicht so mächtig wie in den politischen Systemen Europas. Der Emir ernennt den Premier, der ein Kabinett bestellt und 15 Vertreter im Parlament benennt, die der Regierung weiter eine Mehrheit sichern. Die Schlüsselposten besetzen Mitglieder der Königsfamilie. Die Abgeordneten können sie aber wie jeden Minister anhören und abwählen. Ebenso können sie Gesetze einbringen und beschließen oder Initiativen des Emirs blockieren. Viele der neuen Abgeordneten hatten angekündigt, gegen Sparmaßnahmen zu stimmen; sie fordern Einschnitte für die drei Millionen im Land lebenden Ausländer. Nur 22 der 44 Abgeordneten, die sich erneut zur Wahl gestellt hatten, verteidigten ihren Sitz.

Der Emir, der 87 Jahre alte Scheich Sabah al-Ahmed al-Sabah, hatte das Parlament im Oktober aufgelöst und dies mit der Sicherheitslage in der Region begründet. Im benachbarten Irak kämpft ein Bündnis aus Regierungstruppen und Milizen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat; das Emirat war im Juni 2015 selbst Ziel eines Anschlags mit 27 Toten geworden. Die wirtschaftliche Lage gilt aber als der eigentliche Grund für die Neuwahl; das aufgelöste Parlament hatte eine Reihe Anhörungen von Ministern angesetzt, unter ihnen auch Angehörige des Königshauses.

© SZ vom 28.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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