Künstliche Befruchtung:Der Preis der Kinderlosen

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Dass ein Mensch mit Segelohren psychisch mehr leiden soll als einer mit unerfülltem Kinderwunsch, klingt wie Hohn. Einerseits. Doch andererseits ist Kinderlosigkeit oft auch ein selbstgewähltes Schicksal. Warum es zweifelhaft ist, wenn sich der Staat an den Kosten künstlicher Befruchtung beteiligt.

Charlotte Frank

Der Preis für ein Kind ist hoch. Jede Mutter und jeder Vater wissen das: Kinder kosten Freiheit, Zeit, Geld, Nerven. Speziell für Frauen kosten sie obendrein meist Rückschläge in der Karriere. Auch Menschen, die keine Kinder haben, wissen um diesen Preis - die einen nur, weil sie überlegen, ob und wann es in ihr Leben passen würde, ihn zu zahlen. Die anderen können ihn regelrecht beziffern: Bis zu 5000 Euro kostet der Versuch einer künstlichen Befruchtung.

Seit 2004 übernimmt die gesetzliche Krankenkasse nur noch die Hälfte dieser Kosten, und dies auch nur für drei Versuche. Die Reproduktionsmedizin, klagen viele, ist ein Privileg der Reichen geworden. Deshalb will Bundesfamilienministerin Kristina Schröder künftig mehr künstliche Befruchtungsversuche mit mehr Geld fördern. Zahlen sollen das die Kassen und die öffentliche Hand. Nun steht außer Zweifel, dass Bund und Länder Paaren bei der Familienplanung helfen sollten. Fraglich ist aber, ob Schröder bei dieser Hilfe die richtigen Prioritäten setzt. Fraglich ist auch, ob ungewollte Kinderlosigkeit in jedem Fall eine Krankheit ist, für die die Gesellschaft finanziell einstehen muss.

Die Weltgesundheitsorganisation definiert Gesundheit "als Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens". In diesem Sinn ist ungewollte Kinderlosigkeit zweifelsohne eine Krankheit. Denn die 45.000 Paare, die in Deutschland jährlich mit Hilfe der Reproduktionsmedizin ein Kind bekommen wollen, leiden. Sie haben oft jahrelange Therapien hinter sich, enttäuschte Hoffnungen, Totgeburten. Wie müssen sie sich fühlen angesichts der Tatsache, dass die Kasse sogar bestimmte Schönheitsoperationen zahlt oder Abtreibungen aus sozialer Indikation? Dass ein Mensch mit Segelohren psychisch mehr leiden soll als einer mit unerfülltem Kinderwunsch, klingt wie Hohn. Einerseits.

Andererseits zeigen Studien immer wieder, dass Kinderlosigkeit oft auch ein selbstgewähltes Schicksal infolge individueller Lebensplanungen ist. In den vergangenen Jahren waren regelmäßig nicht einmal ein Viertel der Frauen, die eine künstliche Befruchtung vornehmen ließen, jünger als 31 - mehr als ein Drittel war älter als 35.

Eine Forsa-Umfrage nennt als wichtigste Motive für Kinderlosigkeit das Fehlen eines Partners, die Zufriedenheit mit einem Leben ohne Kinder, aber auch finanzielle Gründe und Angst um den Job. Die Abhängigkeit des Kinderwunsches von der Vereinbarkeit mit dem Beruf hat in Deutschland einen überragenden Stellenwert.

Ist Kinderlosigkeit aber Folge der geringen gesellschaftlichen Akzeptanz berufstätiger Eltern, so ist sie nur bedingt als Krankheit anzusehen. Eher ist sie Folge des hohen Preises, den Eltern in Deutschland für Kinder zahlen müssen. Mit ihrer Familien- und Frauenpolitik hat Kristina Schröder bisher nicht allzu gut erkennen lassen, wie sie diesen Preis verringern will. Das lässt ihren jüngsten Plan in zweifelhaftem Licht dastehen.

© SZ vom 30.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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