KSK in Afghanistan:"Wir haben das Beste aus der Lage gemacht"

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Abflug vom Fliegerhorst Wunstorf: Die Luftwaffe hat im Sommer 2021 mehr als 5000 Menschen aus Afghanistan evakuiert. (Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa)

Ein KSK-Oberstleutnant der Bundeswehr schildert die dramatische Rettungsaktion aus Kabul im vergangenen Sommer.

Von Mike Szymanski, Berlin

Ein Offizier vom Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr hat in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung seltene Einblicke in die Evakuierungsoperation aus Kabul im Sommer 2021 gewährt. Nach dem Abzug der internationalen Truppen hatten die Taliban in kürzester Zeit das Land unter ihre Kontrolle gebracht. Die Bundeswehr wurde beauftragt, deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger und andere Schutzbedürftige aus Kabul auszufliegen. "Wir - alle, die vor Ort waren - haben das Beste aus der Lage gemacht", sagte Oberstleutnant Tobias R. dieser Zeitung.

Der Soldat führte in diesen Tagen die Kräfte des KSK an, die Brigadegeneral Jens Arlt zusätzlich unterstellt waren, um auch außerhalb des Kabuler Flughafens Menschen zu retten. Aufgrund der chaotischen Verhältnisse hatten es viele aus eigener Kraft nicht mehr zu den Flugzeugen geschafft. Ausführlich beschreibt Oberstleutnant Tobias R., welch dramatische Situation die Bundeswehr am Flughafen in Kabul vorgefunden und mit welchen Problemen sie zu kämpfen hatte. Die Arbeit der Bundeswehr wurde dabei offenbar durch zögerliches Handeln und teils Gedankenlosigkeit politischer Entscheidungsträger erschwert, wie aus den Schilderungen des Soldaten hervorgeht.

Beispielsweise konnten zwei aus Deutschland nach Afghanistan verlegte Spezialkräfte-Hubschrauber seinen Angaben zufolge nicht genutzt werden, weil deren Einsatz zuvor in Deutschland öffentlich bekannt gemacht worden war. Der CDU-Politiker Johann Wadephul hatte am 19. August in der ZDF-Talkrunde bei Maybrit Illner darüber gesprochen. Dies hatte schwerwiegende Folgen, wie der KSK-Soldat berichtet. "Das amerikanische Verteidigungsministerium hat den Einsatz aber dann letztlich im Rahmen einer Risikobewertung nicht mehr gebilligt."

Zum Problem für die Retter sei auch geworden, dass das Auswärtige Amt lange Zeit keine Listen mit Namen von zu evakuierenden Personen zur Verfügung stellte. "Eine formelle Liste des Auswärtigen Amtes gab es in den ersten Tagen nicht", erklärte der KSK-Soldat. Für die erste Rettungsaktion außerhalb des Flughafens hätten die KSK-Leute auf eigene Faust Kontaktdaten einer Familie recherchiert, von der sie aus der Presse erfahren hatten. Da war die Bundeswehr fast schon eine Woche im Einsatz in Kabul. "Die Liste wurde von mir am Folgetag massiv eingeklagt, weil ich gesagt habe: Ich bin jetzt bereit. Ich brauche jetzt diese Liste, und dann habe ich sie vom Auswärtigen Amt endlich auch bekommen", erklärte der Soldat.

Insgesamt hat das Kommando Spezialkräfte seinen Angaben zufolge zwölf Operationen außerhalb des Flughafens durchgeführt und dabei 150 Personen gerettet. Zusammen mit den Menschen, die über die Schleusen in den Flughafen gelangt waren, konnte die Bundeswehr weit mehr als 5000 Personen bei der Evakuierungsoperation aus Afghanistan ausfliegen. Tausende weitere Schutzbedürftige blieben jedoch im Land zurück. In Berlin befasst sich seit Anfang Juli ein Untersuchungsausschuss mit den dramatischen Umständen des Abzugs aus Afghanistan.

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