Kritik an Kanzlerin Merkel:Sehnsucht nach Basta

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Die quälende Wahl des Bundespräsidenten hat das Durcheinander in der Koalition offengelegt. Nun tobt ein innerparteilicher Streit. Die einen wollen eine stärkere Regierung - andere wünschen sich Roland Koch herbei.

Die Not in der Union ist groß: Der eigenen Kanzlerin wird nichts mehr zugetraut. Nachdem Christian Wulff bei der Bundespräsidentenwahl erst im dritten Anlauf die erforderliche Mehrheit erhalten hatte, wagen sich nun alle mit Kritik an Angela Merkel aus der Deckung.

Kanzlerin Merkel steht nach Ansicht ihres Generalsekretärs für "Verlässlichkeit, Kompass, erklären können". (Foto: getty)

Jetzt fordern einige sie gar dazu auf, ihren Erzfeind, Hessens Ministerpräsident Roland Koch, zu einem Verbleib in der Politik zu bewegen. Koch habe vor den Unionsdelegierten der Bundesversammlung eine eindrückliche Rede gehalten, lobte der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber im Nachrichtenmagazin Spiegel. "Ich fühle mich bestätigt, dass man Roland Koch unbedingt in der Politik halten sollte."

Koch hatte nach Angaben von Teilnehmern in den entscheidenden Beratungen vor dem dritten Durchgang der Bundespräsidentenwahl mit einer aufrüttelnden Rede die Unions-Delegierten in der Bundesversammlung für die Wahl Wulffs zu gewinnen versucht. Der hessische Ministerpräsident habe "in schwieriger Situation ein Wir-Gefühl erzeugt", sagte Stoiber.

"Überragende Fähigkeit"

Ähnlich habe sich der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok geäußert. "Roland Koch hat eine überragende Fähigkeit in wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen. Deswegen würde ich ihn in der Politik halten", zitiert ihn das Magazin.

Koch hatte in seiner Rede am Mittwoch eindringlich für Christian Wulff geworben - und dafür mehr Applaus als Angela Merkel bekommen.

Doch die Kritik reicht noch viel weiter: Merkel müsse die Partei und die Regierung insgesamt besser aufstellen, forderte der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung von CDU und CSU, Josef Schlarmann. Nicht alle schwierigen Fragen könnten in einem kleinen Kreis um Merkel gelöst werden.

CSU-Chef Horst Seehofer sprach von einem Warnschuss für die Koalition: Die Bundespräsidentenwahl sei ein klares Signal dafür gewesen, dass sich im Regierungsbündnis einiges gegenüber den ersten acht Monaten seiner Amtszeit ändern müsse, sagte Seehofer der Bild am Sonntag. Die Koalition müsse verlässlicher und vertrauensvoller zusammenarbeiten.

"Gurkentruppe" und "Wildsau"

Doch Merkel hat auch ihrer Unterstützer: CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sieht keine Veranlassung für Bundeskanzlerin Angela Merkel, sich angesichts der Turbulenzen in der Koalition neu zu erfinden. Jeder müsse "authentisch" bleiben und auf die eigenen Stärken setzen, sagte Gröhe in einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung.

Als Stärken der CDU-Vorsitzenden nannte er "Verlässlichkeit, Kompass, erklären können". Gröhe zeigte Verständnis für den allgemeinen Unmut über das Erscheinungsbild der schwarz-gelben Koalition.

Mit gegenseitigen Beschimpfungen wie "Gurkentruppe" oder "Wildsau" werde eine bürgerliche Regierung den Erwartungen nicht gerecht. Das "eigentlich Ärgerliche" sei, dass gute Nachrichten wie der Aufschwung durch "Nickeligkeiten unter den handelnden Personen" in den Hintergrund gedrängt würden.

Auch der neue niedersächsische Ministerpräsident David McAllister verteidigte Merkel im Hamburger Abendblatt gegen den Vorwurf der Führungsschwäche. Es sei ihr gelungen, binnen kurzer Zeit einen Nachfolgekandidaten für den zurückgetretenen Bundespräsidenten Horst Köhler zu präsentieren.

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