Kritik am Vorgehen des Bundesinnenministers:"Das versteht doch keiner mehr"

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Ärger für Schäuble: Inzwischen rücken auch führende Unionspolitiker vom Innenminister ab. Parteifreunde nennen seine Vorschläge zum Anti-Terror-Kampf "unklug und schädlich".

Jens Schneider

In der Führung von CDU und CSU herrscht zunehmend Unverständnis über die Vorstöße von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble zur inneren Sicherheit. Während öffentlich nur vereinzelt Kritik an Schäuble geäußert wird, bekunden führende Unionspolitiker in kleinen Runden, dass der CDU-Minister mit immer neuen Vorschlägen zur Terrorabwehr "der eigenen Sache schadet". Sein Vorgehen sei politisch unklug und spiele seinen Gegnern in die Hände.

Bundesinnenminister Schäuble bekommt Kritik aus den eigenen Reihen. (Foto: Foto: dpa)

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel halte bewusst Distanz zu Schäuble, hieß es aus ihrem Umfeld. Die CDU-Vorsitzende sehe offenbar mit Sorge, dass die Initiativen des Innenministers das Klima in der Großen Koalition belasten, ohne dass Aussicht auf konkrete politische Änderungen bestehe.

Der stellvertretende Parteichef und niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff bezeichnete die von Schäuble angestoßene Debatte über eine gezielte Tötung von Terroristen als unverantwortlich. "Mir wäre es lieber gewesen, wir hätten das Thema vorher innerhalb der CDU anhand einer ausformulierten Vorlage von Wolfgang Schäuble diskutieren können", sagte er der Bild-Zeitung. Schäuble hat seine Aussagen in diesem Punkt inzwischen deutlich abgeschwächt.

"Zu viele Baustellen"

Der Unmut über Schäubles Vorgehen in den Reihen der Bundestagsfraktion, in der Parteispitze, aber auch unter Innenministern aus unionsregierten Ländern entzündet sich aber weniger an einzelnen Forderungen des Ministers als vielmehr an seinem Vorgehen.

"Das versteht doch inzwischen keiner mehr", sagt ein Spitzenvertreter der Union. Er warnt, dass Schäuble durch immer neue Forderungen jene Kritiker etwa aus der SPD stärke, die monierten, dass es dem Innenminister gar nicht um die Sache gehe. "Wenn er wieder ein Interview gibt und was Neues kommt", sagt der Politiker, "fragen viele: Muss denn das sein?" Wenn ein Vorschlag den anderen jage, nehme Schäuble sich jede Chance darauf, dass eine ernsthafte Diskussion über wichtige Anliegen geführt werde.

Seine Gegner hätten "leichtes Spiel, weil sie sagen können: Der Schäuble will nur Stimmung machen", beklagt ein weiterer führender CDU-Politiker. Der Innenminister müsse aufpassen, dass er den Gegnern nicht regelrecht helfe.

"Wir können doch nicht jeden Tag eine neue Baustelle eröffnen, wir müssen doch auch mal Bauwerke zu Ende bringen", mahnt er. Durch zweifelhafte Vorschläge gebe Schäuble selbst seinen wirklich wichtigen Anliegen einen Makel: "Sie werden kontaminiert."

Kritik aus den eigenen Reihen

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wurde Schäuble von Gesprächspartnern aus seiner eigenen Partei gebeten, mehr über die Wirkung seiner Auftritte nachzudenken.

Als besonders kontraproduktiv werden Schäubles Aussagen zur gezielten Tötung von Terroristen gewertet. Der Minister hat diese Äußerungen inzwischen selbst relativiert. Er sagte in der ARD, er fühle sich missverstanden. Niemand wolle eine gesetzliche Regelung zum Abschuss von Terrorverdächtigen. "Ich schon gar nicht."

Auch in der CSU wird Schäubles Vorgehen von Teilen der Führung kritisch gesehen. Selbst der bayerische Innenminister Günther Beckstein, der in der Sicherheitspolitik als Hardliner gilt, habe das Vorgehen Schäubles intern zurückhaltend bewertet, heißt es.

Der CSU-Landesgruppenchef in Berlin, Peter Ramsauer, wies zwar Rücktrittsforderungen an Schäuble zurück. Ausdrücklich betonte er aber, dass die CSU zwar die Partei der Sicherheit, aber genauso auch die der persönlichen Freiheit sei.

Stoiber steht hinter Schäuble

CSU-Chef Edmund Stoiber stellte sich öffentlich hinter Schäuble. Er kündigte an, dass die CSU das Thema innere Sicherheit im Koalitionsausschuss in Berlin ansprechen werde. Der Regierungspartner SPD dürfe in dieser Frage nicht blockieren, warnte er. "Man muss vernünftig über alle Vorschläge diskutieren und auch gemeinsam die notwendigen Verbesserungen durchsetzen."

Die Koalition solle sachlich und ruhig die Vorschläge bewerten und sich auch an den Standards orientieren, die in anderen europäischen Ländern vorhanden seien.

Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach warf der SPD vor, die neue Bedrohung nicht ernst zu nehmen. "Die Union kann es nicht hinnehmen im Interesse des Landes, dass wir jahrelang über Themen sprechen, ohne zu Entscheidungen zu kommen", sagte er. Bosbach wies darauf hin, dass das Bundeskriminalamt dringend Befugnisse zur präventiven Terror-Abwehr brauche.

Der Koalitionspartner wahrt dagegen Distanz zu Schäubles Vorschlägen. SPD-Fraktionschef Peter Struck schrieb in seinem Sommerbrief an die Bundestagsabgeordneten seiner Partei mit Blick auf Schäubles Vorschläge: "Sie sind Angriffe auf den Rechtsstaat, dessen Schutz eigentlich Aufgabe des Verfassungsministers wäre." Zwar habe die Sicherheit der Bürger auch für die SPD höchste Priorität, doch dürfe "die Freiheit nicht durch einen Überwachungsstaat abgeschafft werden".

© SZ vom 17.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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