Krise der SPÖ:SPÖ straft Gusenbauer ab

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Bei Österreichs Sozialdemokraten kriselt es seit längerem: Sie werfen Kanzler Gusenbauer Führungsschwäche und schlechte Wahlergebnisse vor. Nun wird er als Parteichef entmachtet.

Michael Frank

Österreichs Bundeskanzler Alfred Gusenbauer ist als Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei (SPÖ) am Montag in Wien entmachtet worden. Das SPÖ-Präsidium hat Infrastrukturminister Werner Faymann praktisch zum neuen Parteichef berufen, wobei er zunächst als Geschäftsführender Parteivorsitzender firmieren wird.

Schlechte Zeiten für Österreichs Kanzler Gusenbauer: Als SPÖ-Vorsitzender wurde er nun ausgewechselt (Foto: Foto: Reuters)

Dieses Amt wird nur für die Zeit bis zum ordentlichen Parteitag im Oktober geschaffen, der den 48-jährigen Faymann zum alleinigen SPÖ-Chef wählen soll. So erläuterte es Bundeskanzler Gusenbauer, dessen Rolle als Erster Vorsitzender bis zu diesem Zeitpunkt nur noch repräsentativ sein wird.

Gusenbauer erklärte, er selbst habe sich zur Trennung der Ämter entschlossen. Er versuchte jeden Eindruck zu vermeiden, man habe ihn zur Aufgabe der Parteiführung gezwungen. Die schwierige Lage der Partei erfordere solche Entscheidungen.

Die SPÖ aus der Krise und zugleich die Regierung zu führen sei für einen allein nicht mehr zu machen. Die Trennung der Ämter von Bundeskanzler und Parteichef hat in der SPÖ keine Tradition: Nur einmal, in der Nach-Kreisky-Phase der achtziger Jahre, teilten sich Fred Sinowatz und der damals als Jungstar aufsteigende Franz Vranitzky die Ämter des Partei- und Regierungschefs.

"Mangelnde Zugkraft"

Gusenbauer wird seit langem Führungsschwäche vorgeworfen. Verheerende Wahlniederlagen der SPÖ wie jüngst in Tirol, wo die Partei zwei Fünftel ihrer Klientel verlor, werden auch seiner mangelnden Zugkraft zugeschrieben. Außerdem wirft man ihm vor, sich gegenüber der christsozialen Volkspartei (ÖVP), dem Koalitionspartner in Wien, nicht beherzt genug durchzusetzen.

Deren Vorsitzender, Vizekanzler Wilhelm Molterer, hatte sich jüngst noch für den Verbleib von Gusenbauer an der SPÖ-Spitze eingesetzt. Mit ihm habe man den Koalitionsvertrag vereinbart. Sollte Gusenbauer ersetzt werden, sei alles zu überdenken, was als leise Drohung gedacht war. Die Koalition stehe zur Disposition.

Faymann, bisher designierter Kronprinz in der SPÖ, übernimmt diese Rolle nun offiziell. Teile der Partei sähen ihn gern auch als künftigen Kanzlerkandidaten. Faymann selbst erklärte, Gusenbauer sei im Amt des Regierungschefs unbestritten und werde auch künftig der Kandidat der SPÖ für die Kanzlerschaft bei Neuwahlen sein. Faymann genießt dem Vernehmen nach die Unterstützung mächtiger Gruppen in der Boulevard-Presse, die sich gerne als Königsmacherin sieht.

Andere Parteien sprechen von Demütigung

An der Basis der Sozialdemokraten löste die Entscheidung des Präsidiums in Wien erhebliche Überraschung aus. Trotz starker Töne besonders der Landeshauptleute Franz Voves aus der Steiermark und Gabriele Burgstaller aus Salzburg hatten Parteimitglieder nur mit kleineren Personalveränderungen gerechnet. Den Ausschlag hat offenbar gegeben, dass sich der mächtige Wiener Bürgermeister Michael Häupl einmischte.

Die Kanzler-Vertraute und Frauenministerin Doris Bures übernimmt anstelle von Josef Kalina die Bundesgeschäftsführung. Kalina war bereits einer der "Spindoktoren" unter Bundeskanzler Viktor Klima Ende des vorigen Jahrhunderts, die mit einer verfehlten Wahlkampagne den Kanzler das Amt und die SPÖ die Führungsrolle kosteten, was die rechtsnationale Regierung Schüssel/Haider zur Folge hatte. Dass Gusenbauer Kalina wieder reaktiviert hatte, galt als einer seiner schwersten personellen Fehler. Österreichs andere Parteien werteten den Umbau der SPÖ-Spitze als Demütigung für den Bundeskanzler.

© SZ vom 17.6.2008/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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