Krise der CSU:Alle gegen alle

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Die CSU im Mai 2007: "ziellos, orientierungslos, mutlos". In der Landtagsfraktion wächst der Zorn auf Stoiber. Sein angekündigter Abgang hat ein nie gekanntes Vakuum verursacht - einer der Gründe, warum die die einst so pragmatische CSU nicht aus der Krise findet.

Peter Fahrenholz

Wer in der Politik die Macht hat, gibt sie nur selten freiwillig ab. In der Antike war der Tyrannenmord eine gern genutzte Variante für einen Neuanfang, heute werden störrische Amtsinhaber eher überfallartig gestürzt oder langsam zermürbt. Auch auf CSU-Chef Edmund Stoiber musste tagelang mit Engelszungen eingeredet werden, ehe er endlich schweren Herzens einsah, dass seine Zeit abgelaufen ist. Als er im Januar seinen Rückzug ankündigte, herrschte in seiner Partei zunächst große Erleichterung.

Denn damit schien ein friedlicher Machtübergang in der CSU möglich zu sein, die nach außen zwar gerne streitbar auftritt, nach innen aber voller Harmoniesucht ist. Das wurde honoriert: Nach Stoibers Rückzugserklärung überboten sich plötzlich die CSU-Granden mit Elogen auf den scheidenden Regierungschef, und auf diversen Neujahrsempfängen genoss ein sichtlich gerührter Stoiber den warmen Applaus der Parteibasis.

Lähmendes Entsetzen

Mittlerweile hat sich die Erleichterung in der CSU aber in lähmendes Entsetzen verwandelt, das Kleingedruckte in Stoibers Rücktrittsplan hat längst seine giftige Wirkung entfaltet. Denn mit seinem auf acht Monate hinausgezögerten Abschied hat Stoiber seiner Partei ein Jahr politischer Agonie verordnet und ein Vakuum erzeugt, das es in der pragmatischen und machtorientierten CSU in dieser Form noch nie gegeben hat.

Alle gegen alle lautet dort inzwischen die Formel, und welche Rolle Stoiber selbst dabei spielt, wird immer dubioser. Stoiber drohe, die CSU in einem desolaten Zustand zu hinterlassen, sagt einer seiner zahlreichen Kritiker aus der Landtagsfraktion: ,,Ziellos, orientierungslos, mutlos''.

Längst hat sich herauskristallisiert, dass es Stoiber nicht nur um eine sentimentale Abschiedstournee geht, die ihm jeder in der CSU gegönnt hätte. Auch auf seiner letzten Etappe kann Stoiber nicht loslassen, er möchte seine Ära um jeden Preis fortschreiben. Mit einem milliardenschweren Zukunftsprogramm, das er durch den Landtag peitschen will, möchte er seine Nachfolger auf seinen Kurs festnageln.

Zorn in der Fraktion

In der Landtagsfraktion, über all die Jahre immer die verlässlichste Bastion Stoibers, ist der Zorn über Stoiber inzwischen so angeschwollen, dass eine unkalkulierbare Explosion nicht mehr ausgeschlossen ist. Denn der Leidtragende seines egomanischen Abschiedstrips ist vor allem der designierte Ministerpräsident Günther Beckstein, mit dem die CSU die nächste Landtagswahl im Herbst 2008 gewinnen will.

Und der als tatkräftiger Regierungschef innerhalb kurzer Zeit soviel Kontur gewinnen muss, dass er auch als Galionsfigur für die schwierigen Kommunalwahlen taugt, die die CSU zuvor im Frühjahr 2008 bestehen muss. Ohnmächtig muss Beckstein mit ansehen, wie Stoiber die Zukunft Bayerns verplant, die doch eigentlich Becksteins Zukunft sein soll.

Die Fraktion will auf keinen Fall, dass Beckstein geschwächt wird und ist deshalb auf heimlichen Obstruktionskurs gegangen. Zu Stoibers Zukunftsprogramm soll es keine bindenden Festlegungen, sondern nur Formelkompromisse geben, übers Geld will man erst im Oktober reden, wenn Stoiber nicht mehr im Amt ist.

Angst vor Meinungswechsel des Ministerpräsidenten

Doch wird es dazu überhaupt kommen? In der CSU wächst die Angst, Stoiber könne es sich im letzten Moment doch noch anders überlegen und das Amt des Ministerpräsidenten behalten wollen. Damit würden sämtliche Überlegungen für einen friedlichen Machtwechsel torpediert. Denn nur wenn Stoiber wie versprochen als Ministerpräsident zurücktritt, geht alles ganz einfach

Dann genügt ein lapidarer Brief an den Landtagspräsidenten, und zwei Tage später kann ein neuer Regierungschef gewählt werden. Klammert sich Stoiber hingegen absprachewidrig an sein Amt, müsste die eigene CSU-Fraktion ihn stürzen. Bayerns Verfassung sieht in Artikel 44 einen zwingenden Rücktritt des Regierungschefs vor, "wenn die politischen Verhältnisse ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten zwischen ihm und dem Landtag unmöglich machen". Eine Schlammschlacht in der CSU wäre in diesem Fall wohl unausweichlich.

Wie so vielen anderen vor ihm gelingt auch Stoiber offenbar kein würdevoller Abschied, womit er sein eigenes politisches Lebenswerk beschädigt. Er mauschelt bis zuletzt und sät Zwietracht unter seinen Nachfolgern. Die Quittung dafür könnte bitter ausfallen. "Am Tag, wo er nicht mehr im Amt ist, wird es jedem von uns scheißegal sein, was der mal gesagt hat", prophezeit ein Landtagsabgeordneter.

© SZ vom 10.05.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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