Kriminalität:Tatort Wohnung

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Gut 150 000 Einbrüche wurden 2016 gezählt, und damit erstmals seit Langem weniger als im Vorjahr. Viele Bürger helfen sich mit Sicherheitstechnik inzwischen selbst. Aber es gibt noch andere Gründe.

Von Susanne Höll, Frankfurt

Aus München kam vor wenigen Tagen eine frohe Nachricht: Eine ausländische Einbrecherbande wurde hochgenommen, die in Deutschland und anderswo regelmäßig Türen knackte. Die Mitglieder der Bande sitzen hinter Gittern, so wie der 40-Jährige, der Anfang Mai in Frankfurt festgesetzt wurde. Er hatte in den vergangenen Jahren womöglich 900 Einbrüche verübt. Gute Polizeiarbeit, keine Frage. Mit wenigen regionalen Ausnahmen gehen die Rekordzahlen der Wohnungseinbrüche seit 2016 erstmals zurück. Alles dank besserer Ermittlungsarbeit? Nein, nicht nur. Auch Bürger, Steuerzahler und andere europäische Staaten haben dazu einen beachtlichen Beitrag geleistet.

Im vergangenen Jahr wurden landesweit 151 265 vollendete oder versuchte Einbrüche registriert, fast zehn Prozent weniger als 2015. Hausbesitzer und Mieter atmeten auf. Die Furcht vor Einbrüchen lässt Menschen schlecht schlafen. Dabei ist die Sorge vor dem materiellen Verlust oft geringer als die Angst, im eigenen Heim nicht mehr sicher zu sein.

Wer Opfer eines Einbruchs wurde, kämpft oft mit psychischen Belastungen, manche Menschen ziehen sogar um. Seit 2008 stieg die Zahl der Einbrüche stetig an, zugleich wurden weniger Fälle aufgeklärt. Bei der Polizei ernteten Opfer oft nicht mehr als ein Protokoll und Schulterzucken. Soweit so schlecht.

Die Sorge der Bürger wurde lange ignoriert, zumindest aber hingenommen. Bei der Polizei mussten Stellen abgebaut werden, die Uniformierten waren - und sind vielerorts - überfordert und übermüdet durch Einsätze im Anti-Terror-Kampf, der Überwachung von Fußballspielen und dem Schutz von Demonstrationen aller Art. Für die schwierige und zeitraubende Einbrecher-Fahndung fehlte Personal.

Ein Mann vom Fach, der jüngst pensionierte Kölner Polizeibeamte und ehemalige Kripo-Gewerkschafter Rüdiger Thust, benennt den Schuldigen der langjährigen Misere: "Es gab in zahlreichen Bundesländern ein jahrelanges Versagen der für die innere Sicherheit politisch Verantwortlichen bei der Einbruchskriminalität."

Gartentüre zu und auf den aufmerksamen Hund hoffen... Das kann funktionieren, muss aber nicht. Moderne Einbruchs-Prävention setzt eher auf technische Nachrüstung bei Türen und Fenstern. Dafür gibts auch Geld vom Staat. (Foto: Steven Clevenger/Corbis Historical/Getty Images)

Die Innenministerien der Länder, nicht die Polizeibehörden legen in der Regel fest, wo die Prioritäten der Uniformierten liegen. In Köln, so Thust, brachte die vorvergangene Silvesternacht die Wende, in der junge Ausländer am Bahnhof kriminell-übergriffig wurden. "Die Polizeipräsenz auf der Straße wurde erhöht und Dienststellen wurden personell verstärkt", sagt der Ruheständler. Seither habe der Kampf gegen Einbrecher oberste Priorität. Endlich, dachten sich damals Bürger und Polizeibeamte. Die Zahlen geben Thust recht. In Köln wurden 2016 erstmals seit fünf Jahren weniger Einbrüche registriert. 3900 Fälle nahm die Polizei zu Protokoll, 2015 waren es noch mehr als 5100. Als Grund wurde erhöhter Kontrolldruck genannt.

Das ist aber wohl nur die halbe Wahrheit. Denn die Bürger, alarmiert durch Medienberichte und Erzählungen von Nachbarn, rüsten ihre Wohnungen nach, lassen Fenster, Balkontüren und Eingangspforten modernisieren. Seit Ende 2015 gewährt die Bundesregierung Zuschüsse für Sicherungen. Eigentümer und Mieter erhalten über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Zuschüsse oder Kredite für Nachbesserungen. 2016 vergab die KfW mehr als 40 000 Zuwendungen bis zu einer Höhe von 1500 Euro. Hinzu kommen jene Hausbesitzer,die die Arbeiten aus eigener Tasche bezahlen und sie steuerlich absetzen.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sieht die Sicherungen als bedeutsamsten Beitrag zum Rückgang der Einbrüche. "Der mechanische Schutz ist das wesentliche Element", sagt der Leiter der Sachschadensregulierung, Alexander Küsel. Wer Zuschüsse beantragt, muss sich beim Umbau nach dem neuesten Stand der Technik richten. Sonst gibt es kein Geld.

Die Mindeststrafe wird künftig ein Jahr sein. Das könnte Profis zum Nachdenken bringen

Einen wichtigen Beitrag leisteten jene Nachbarn im südöstlichen Europa, die im Zuge der Flüchtlingskrise nacheinander die Grenzen auf der sogenannten Balkanroute schlossen. Auf diesem Weg, so sagen Experten, seien auch Mitglieder ausländischer Banden nach Deutschland gekommen, die auf Einbrüche spezialisiert sind.

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(Foto: N/A)

SZ-Grafik; Quelle: Polizeiliche Kriminalitätsstatistik 2016

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SZ-Grafik; Quelle: Polizeiliche Kriminalitätsstatistik 2016

Manches spricht dafür, dass die Zahl der Einbrüche auch 2017 nicht dramatisch ansteigen wird. Die Politik ist bemüht, die Zahlen niedrig zu halten. Nach wie vor ist die Sorge in den Parteien groß, wegen Sicherheitsfragen eine Wahl zu verlieren. Die Balkanroute ist nach wie vor geschlossen, die Mindeststrafe für Einbrüche wird von drei Monaten auf ein Jahr erhöht. Praktiker Thust sagt, das könne professionelle Knacker zum Nachdenken bringen.

Was ist zu tun, damit die Zahl der Einbrüche auf Dauer auf ein erträgliches Maß zurückgeht? Die Versicherer empfehlen, nach dem Beispiel der Niederlande in den Bauvorschriften zeitgemäße Sicherungen vorzuschreiben. Ex-Kripo-Mann Thust rät der Politik, im Kampf gegen Einbrecher nicht innezuhalten: "Wir werden mit Einbrüchen leben müssen. Es muss aber unser aller Anliegen sein, mit allem Nachdruck dafür zu sorgen, dass sich die Kriminalität in Grenzen hält."

© SZ vom 29.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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