Kriminalität:Täuschen, tarnen, tricksen

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Die Behörden hatten die Verdächtigen seit Monaten im Blick. Denen ist es der Gruppe junger Deutschr und Türken immer wieder gelungen, die Fahnder abzuschütteln - mit zum Teil verblüffend einfachen Tricks.

Annette Ramelsberger

Wenn es nicht Wirklichkeit wäre, könnte man das Geschehene für Szenen aus einem James-Bond-Film halten. Die Männer der Terrorgruppe Islamic Jihad Union, die in Deutschland vermutlich mindestens fünf Autobomben hochgehen lassen wollten, haben mit allen Tricks versucht, Polizei und Geheimdienste abzuschütteln.

Obwohl die Behörden die Verdächtigen seit Monaten im Blick hatten, ist es der Gruppe junger Deutscher und Türken immer wieder gelungen, der Observation zu entwischen. So unternahmen die Verdächtigen oft Rundgänge um ihre Wohnungen, um mögliche Fahndungsfahrzeuge zu entdecken. Einer der mutmaßlichen Terroristen ging voraus, ein anderer folgte in einigem Abstand, um Bewegungen von Polizisten mitzukriegen.

Wenn die Verdächtigen im Auto saßen und sicherstellen wollten, dass sie nicht verfolgt werden, beschleunigten sie auf Ausfallstraßen plötzlich auf Tempo 200 oder überfuhren rote Ampeln. Und einmal sprang der inzwischen festgenommene Daniel S. aus dem Saarländischen im letzten Augenblick aus einem abfahrenden Zug, lief über die Gleise und stieg dort in einen anderen Zug. Die Polizisten konnten nicht folgen, ohne selbst entdeckt zu werden.

"Die kannten alle Abschüttelmaßnahmen, die man nur kennen kann", sagt ein Ermittler der Süddeutschen Zeitung. "Die waren hervorragend darauf vorbereitet, was sie erwartet, wenn sie sich hier bewegen. Das war professionelles nachrichtendienstliches Wissen."

Auch technisch versuchten die Täter sich zu tarnen. Nach Informationen der SZ kommunizierten die Verdächtigen unter den IP-Adressen unbescholtener Bürger miteinander. Sie drangen dafür in offene, ungeschützte Wireless-Lan-Netze ein und benutzten dann zur Tarnung die IP-Adressen (individuelle Nummern für jeden Internet-Zugang), um ihre Führungsleute in Pakistan zu erreichen.

Amerikanischen Ermittlern, die vor allem die Kommunikation von und nach Pakistan im Blick haben, fielen diese E-Mails im Herbst 2006 erstmals auf. Sie wandten sich an die deutschen Behörden und nannten ihnen Namensschnipsel der Verdächtigen, die sie aufgeschnappt hatten. Zunächst gerieten die Besitzer der IP-Adressen unter Verdacht, harmlose Bürger.

Doch schnell entdeckten die Deutschen, wer hinter der Tarnung mit den seriösen IP-Adressen stand: die Mitglieder der Islamic Jihad Union aus Hessen, dem Saarland und Baden-Württemberg. Wie die Amerikaner an ihre Informationen gekommen waren, teilten sie den Deutschen nicht mit - das ist nicht üblich im internationalen Geheimdienstgeschäft.

Weil die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe daraufhin ein Verfahren wegen Terrorverdachts einleitete, bekamen die Ermittler eine richterliche Erlaubnis, den E-Mail-Verkehr der Verdächtigen mitzulesen. Das glückte einige Monate lang gut. Aber ausgerechnet im August, als die entscheidende Phase der Anschlagsvorbereitung begann und es besonders wichtig für die Fahnder gewesen wäre, die Verdächtigen nicht aus den Augen zu verlieren, versiegte die Quelle.

Zu dem Zeitpunkt, als die mutmaßlichen Täter ihre zwölf gehorteten Fässer mit Wasserstoffperoxid aus dem Versteck holen und mit der Herstellung von Sprengstoff beginnen wollten, spielten sie ein Verschlüsselungsprogramm auf einen ihrer Computer. "Da wurden wir blind", sagt ein Fahnder der SZ. "Da hätte uns ein Trojaner geholfen, um da einzudringen."

Die Täter versuchten in den letzten Wochen vor ihrem Anschlag sogar, noch weiteres Sprengstoffmaterial zu bekommen. Sie hatten bei ihrem Händler in der Nähe von Hannover bereits weitere Fässer geordert, berichten Geheimdienstler.

"Wir sind blind und taub, wenn wir nicht mithalten"

Den Ermittlern geht es aber nicht nur um die Aufklärung dieses Falles, sondern bereits um den nächsten. Denn dass die Täter durch ihre Verschlüsselungsaktion der Polizei die Augen vernebelten, wird, wenn es zum Prozess kommt, vor Gericht eine Rolle spielen - und die Angeklagten, ihre Hintermänner und mögliche Nachahmer werden daraus lernen, wie sie sich am besten schützen können. "Wir werden blind und taub, wenn wir hier nicht mithalten", sagt ein hoher Sicherheitsverantwortlicher.

Sicherheitsexperten bemängeln, dass sie noch nicht einmal die Telefonate abhören dürfen, die aus den Terrorcamps in Pakistan nach Deutschland gehen. "Nur wenn wir wissen, wer konkret mit welchem Anschluss hier telefoniert, können wir eine richterliche Genehmigung für die Überwachung dieses Anschlusses beantragen. Aber woher sollen wir wissen, wer da wen aus Pakistan anruft?"

Eine ganze Reihe von Mitgliedern der Islamic Jihad Union ist noch in Pakistan oder dem Irak unterwegs, unter ihnen der in Deutschland aufgewachsene 23 Jahre alte Türke Zafer S. Er scheint sich im Umfeld der al-Qaida im Zweistromland aufzuhalten.

Insgesamt wird gegen zehn Mitglieder der Terrorzelle ermittelt. Acht von ihnen sind mit Namen bekannt, unter ihnen die am Dienstag festgenommenen Daniel S., Fritz G. und Adem Y. Die anderen sieben aber sind weiter auf freien Fuß, weil die Beweise gegen sie bisher nicht ausreichten. Da sind zum Beispiel zwei junge Türken aus Baden-Württemberg, Dana B. und Ömer Ö., und auch der Mann, der Fritz G. begleitet hatte, als er an Silvester 2006 die Kasernen der Amerikaner in Hanau ausspionieren wollte. Er heißt Attila S., ist 22 und stammt aus Frankfurt.

Ein weiteres Mitglied der Gruppe, der 23-jährige Ägypter Hussein al-M., saß bis vor kurzem wochenlang in Haft - allerdings in Pakistan. Er war beim illegalen Grenzübertritt von Iran nach Pakistan erwischt worden. Hussein al-M. kam genau am Tag der Festnahmen nach Deutschland zurück.

© SZ vom 7.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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