Kreditmarkt:Die Vermessung der Blase

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Sinnbild eines kaputten Häusermarktes: Eine von Spaniens vielen Bauruinen, hier in der Provinz Murcia im Südosten des Landes. (Foto: Horst Ossinger/dpa)

Das Finanzministerium will mit einem Register der Immobilienkredite neue Krisen verhindern. Banken und Datenschützer sind dagegen.

Von Cerstin Gammelin

Solche Bilder wie damals im Süden soll es in Deutschland nicht geben. In die Höhe ragende Stahlträger, an denen der Rost frisst. Baugerippe aus Beton, halb fertiggestellte Fassaden, verfallende Wohnungen. Und das nicht nur an einem Ort, sondern überall im Land. In Spanien platzte vor knapp zehn Jahren die Immobilienblase, es war die größte in Europa. Sie stürzte Bürger in Existenznöte, einige Verzweifelte nahmen sich sogar das Leben. Banken beantragten später 100 Milliarden Euro an Nothilfen aus dem Euro-Rettungsfonds, um nicht pleitezugehen und das gesamte Finanzsystem zum Einstürzen zu bringen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt, im Jahr 2012, schworen sich die Europäer, alles zu tun, um künftig Blasen auf dem Immobilienmarkt zu verhindern.

Seither knobelt auch die Bundesregierung, federführend das Finanzministerium, mit welchen Regularien der Immobilienmarkt in Deutschland überwacht werden kann. Ziel ist, rechtzeitig Spekulationsblasen zu erkennen. Diese entstehen, wenn Immobilien deutlich über Wert gehandelt werden. Nach einem Höchststand, der schwer abzusehen ist, jedoch meist mit einem plötzlich steigenden Angebot an Wohnungen verbunden, stürzen die Preise ab. Eigentümer können dann nicht mehr zahlen, Banken bleiben auf den Krediten sitzen - die Blase ist geplatzt.

Besonderen Grund zur Eile sieht die Bundesregierung offenbar nicht. Anders als etwa in Spanien gibt es acht Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise keine gesetzlichen Regelungen für ein solches Frühwarnsystem. Was einerseits daran liegen mag, dass die aktuelle Lage auf dem Immobilienmarkt keinen Anlass zu Sorge bietet. Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums verweist auf die Einschätzung des Ausschusses für Finanzstabilität, des Gremiums, das nach der Finanzkrise gegründet wurde, um drohende Krisen zu erkennen und zu verhindern. Der Ausschuss habe "derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass sich aus der Darlehensvergabe für deutsche Wohnimmobilien akute Risiken für die Finanzstabilität ergeben".

Ein erster Gesetzentwurf für das Register soll "bald" vorliegen

Das klingt kompliziert, ist aber im Grunde nichts anderes als eine Entwarnung. Auch wenn in Deutschland gegenwärtig so viel gebaut wird wie seit vielen Jahren nicht mehr, gibt es keine Anzeichen dafür, dass Immobilienblasen entstehen. Im Gegenteil. Dass die Zahl der Baugenehmigungen so stark ansteigt, dürfte sich mittelfristig dämpfend auf die Preise auswirken, heißt es in Berlin. Außerdem gelte: Wenn das Angebot an Immobilien steige, sinke das Risiko einer Blase. Auch das Argument, wonach Bauland knapp werden könnte, greife nicht. Gerade in Deutschland gebe es noch ausreichend Flächen, um Bauland auszuweisen.

Dass das gesetzliche Frühwarnsystem auf sich warten lässt, liegt nicht nur an der entspannten Lage. Sondern auch daran, dass sich die Beteiligten, also Banken, Datenschützer und Behörden, bisher nicht darauf einigen konnten, mit welchen Daten das zu diesem Zweck geplante "Wohnkreditregister" gefüttert werden soll und welche Durchgriffsrechte die Behörden bei drohender Gefahr erhalten müssten.

Das Wohnkreditregister geht auf eine Empfehlung des Ausschusses für Finanzstabilität zurück. Mit dem Register würde eine Berichtspflicht für Banken kommen, an wen sie Hypotheken vergeben und wie diese bedient werden. Aus den Daten, so das Kalkül, könne die durchschnittliche Verschuldung ermittelt werden. Zudem sei schnell festzustellen, ob unverhältnismäßig viele Darlehen vergeben würden oder die Verschuldung zunehme; beides sind Anzeichen für Blasen. Am Donnerstag hieß es im Bundesfinanzministerium, dass es "bald" einen Referentenentwurf für das Register geben werde. Wobei "bald" auch auf Nachfrage nicht weiter erläutert wurde. Diesen Monat? Dieses Jahr? Diese Legislaturperiode? Leider unklar. Das Ministerium prüfe "die Umsetzung der Empfehlungen des Ausschusses und stimme sich intensiv ab", heißt es in Berlin.

Was darauf schließen lässt, dass die Abstimmungen kompliziert sind. Die Kreditwirtschaft lehnt grundsätzlich Eingriffe der Behörden ab. Mindestens jedoch wollen die Banken ihren Aufwand für Berichte so gering wie möglich halten und nicht mehr Daten als unbedingt nötig herausgeben. Datenschützer wiederum wollen verhindern, dass überhaupt Daten weitergegeben werden. Banken und Datenschützern steht wiederum das Interesse der staatlichen Regulierer gegenüber. Sie bestehen auf aussagefähigen Daten, da sie ansonsten aus dem Register keine Erkenntnisse über drohende Gefahren ableiten können.

Besonders kompliziert ist das geplante Eingriffsrecht der Behörden in die Kreditvergabe, um das Finanzsystem stabil zu halten. Die laufenden Gespräche beschränken sich deshalb auf die Datenübermittlung. Was ein Indiz dafür ist, dass "bald" in weiter Ferne liegt.

© SZ vom 19.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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