Krankenversicherung:Planschen im Gesundheitspool

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Neuer Begriff für eine alte Idee: Die Grenze zwischen privaten und gesetzlichen Kassen soll fallen - ein Fondsmodell versucht die Vorzüge der SPD-Bürgerversicherung und der CDU-Gesundheitsprämie zu vereinen.

Ulrich Schäfer

Manchmal kommt es in der Politik darauf an, zum richtigen Zeitpunkt möglichst markante Worte zu finden. Eine Idee, die schon uralt ist, erscheint dann plötzlich in neuem Glanz.

Volker Kauder ist dieses Kunststück gelungen. In einem Stern-Interview hat er die Umrisse einer Gesundheitsreform skizziert. Einen milliardenschweren Fonds wolle er schaffen, befüllt mit Beiträgen und Steuerzuschüssen, aus dem sich die Krankenkassen speisen, einen "Gesundheitspool", wie der Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion es nannte.

Da war er, der markante Begriff, und es schien, als sei diese Idee in den Denkstuben der Union gereift.

Tatsächlich stammt sie aus dem Herbst 2005, aus einer Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium. Auf zwei Seiten skizzierten die 26 Ökonomen, wie man das System der Krankenkassen anders organisieren kann. Von einer "zentralen Inkassostelle" war da die Rede, nicht aber von einem Gesundheitspool.

Nun planschen alle im Gesundheitspool

Auch Jürgen Wasem mied diesen Begriff. Der bis dahin unbekannte Wissenschaftler der Universität Duisburg-Essen erschien vor vier Wochen plötzlich als Vordenker einer Reform. Er habe Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) das niederländische Modell empfohlen, war damals zu lesen.

Jeder Versicherte zahle dort eine Pauschalprämie an seine Krankenversicherung, dazu einen einkommensabhängigen Beitrag an einen Fonds. Erregt debattierte man damals über die "kleine Kopfpauschale", niemand interessierte sich für den Fonds.

Nun aber planschen alle im Gesundheitspool, wie die Inkassostelle des Beirats und der Fonds von Wasem nun heißen. Das Gesundheitsministerium räumt ein, dass es dieses Modell prüfe, und anonym erklären Regierungsvertreter, dass es im Mittelpunkt aller Überlegungen stehe. Schließlich gehe es darum, wie Gesundheitsministerin Schmidt sagt, "die Vorzüge gegensätzlicher Konzepte miteinander zu vereinen" - der SPD-Bürgerversicherung und der CDU-Gesundheitsprämie. Genau dies könnte mit dem Fondsmodell gelingen.

Das Modell läuft darauf hinaus, dass die meisten Bundesbürger, die gesetzlich versichert sind, künftig dreimal für die Gesundheit bezahlen. Sie müssten einen vom Lohn abhängigen Kassenbeitrag zahlen und einen Zuschlag auf ihre Einkommensteuer entrichten; beides fließt direkt in den Gesundheitspool.

Zudem müssten sie eine monatliche Prämie von durchschnittlich 15 Euro direkt an ihre Krankenkasse überweisen. Diese "kleine Kopfpauschale" könnte bei Kassen, die schlecht wirtschaften, sogar auf bis zu 40 Euro steigen. Bei Kassen hingegen, die besonders effizient arbeiten, würde die Prämie entfallen; die Kunden dieser Versicherungen könnten darauf hoffen, dass ihnen ein Teil der lohnabhängigen Beiträge am Jahresende erstattet wird.

Die Erfinder des Modells rechnen damit, dass dies den Wettbewerb unter den gesetzlichen Kassen anheizt. Sie wollen jedem Versicherten, der in den Pool einzahlt, einen Gutschein in die Hand geben. Dieser wäre so viel wert, wie die Versicherten im Durchschnitt in den Gesundheitspool einzahlen: etwa 150 bis 170 Euro. "Mit dem Gutschein in der Hand kann jeder gucken, welche Kasse günstig ist. Wo zahle ich drauf, wer zahlt was raus?", sagt der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats beim Finanzministerium, Heinz Grossekettler.

Wer verwaltet den Gesundheitspool?

Auch die privaten Kassen wären verpflichtet, einen Standardtarif anzubieten und jeden aufzunehmen. Die klaren Grenzen zwischen privaten und gesetzlichen Kassen würden dadurch verschwinden. Die Privaten könnten jenseits des Standardtarifs aber weiter andere Tarife anbieten; wer besondere Leistungen will, ein Einzelzimmer oder den Chefarzt, müsste höhere Beiträge zahlen.

Noch streiten Union und SPD darüber, wie sie die privaten Kassen einbinden sollen. Denkbar wäre es auch, dass diese mit einigen Milliarden ihrer Einnahmen die gesetzlichen Kassen subventionieren. Unklar ist zudem, ob es auch künftig zwischen den gesetzlichen Kassen einen Finanzausgleich geben soll.

Der Beirat des Finanzministeriums will diesen abschaffen und den Kassen nur noch einen einheitlichen Betrag pro Versicherten zugestehen. Die Gesundheitspolitiker erwägen jedoch, die Summe zu staffeln: Für kranke Patienten könnte es mehr geben, für gesunde weniger.

Und noch eine dritte Frage müssen die Experten klären: Wer verwaltet den Gesundheitspool? Am ehesten käme dafür das Bundesversicherungsamt in Frage. Es organisiert schon jetzt den Finanzausgleich der gesetzlichen Kassen, doch manch einer bezweifelt, dass die Bonner Behörde der Aufgabe gewachsen wäre. Denn sie müsste 70 Millionen Konten verwalten, für jeden Versicherten eines.

© SZ vom 13.04.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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