Koreanische Halbinsel:Wo Ballons als Bedrohung gelten

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Südkoreaner lassen Flugblätter nach Norden fliegen. Doch diese Art der politischen Aufklärung kommt nicht nur in Pjöngjang schlecht an.

Von Thomas Hahn, Tokio

Die Warnung aus Pjöngjang war deutlich, und Südkoreas Regierung reagierte schnell. Nordkoreas Propaganda-Beauftragte Kim Yo-jong hatte sich am Donnerstag mit geharnischten Worten darüber beschwert, dass Aktivisten Ballons mit regimekritischen Texten über die Grenze hätten fliegen lassen. Nur wenige Stunden später rief Yoh Sang-key, Sprecher des Vereinigungs-Ministeriums in Seoul, dazu auf, solche Ballons nicht mehr steigen zu lassen. "Die Regierung hat Maßnahmen ergriffen, um die Sendung von Flugblättern in den Norden zu stoppen", sagte Yoh.

Ein solches Vorgehen gegen Menschenrechtsgruppen, welche die Zustände im kommunistischen Norden anprangern, passt eigentlich nicht zur liberalen Regierung des südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in. Aber Moon will den Ausgleich zwischen beiden Koreas. Er ist deshalb mitverantwortlich dafür, dass die Ballons mit kritischer Fracht nicht fliegen dürfen. Solche Ballons waren lange ein Streitpunkt zwischen Nord- und Südkorea, der sogar schon zu Schusswechseln führte. Im April 2018 verpflichtete sich Südkorea im Rahmen eines Abkommens dazu, Ballon-Aktionen zu unterbinden. Aber manche Menschenrechtsgruppen stört das nicht.

Nordkorea fürchtet jede Information, welche seine Bürger aus dem Rest der Welt erreicht. Sie sollen keine Alternative zur nordkoreanischen Propaganda kennen. Deshalb behandelt die abgeschottete Atommacht auch Ballons als ernste Gefahr - zumindest wenn sie Schriften gegen die Diktatur transportieren. Kim Yo-jongs Ansagen waren entsprechend streng. Kim Yo-jong ist die Schwester von Staatschef Kim Jong-un. Als es vor einigen Wochen Spekulationen um Kim Jong-uns Gesundheit gab, wurde sie als potenzielle Nachfolgerin gehandelt. Dass sie in der Ballon-Sache das Wort führte, deutet darauf hin, dass der Bruder ihr mehr Macht zubilligt.

Kim Yo-jong benannte "sogenannte Überläufer aus dem Norden" als Verantwortliche für die Ballon-Fahrten. Sie beschimpfte diese als "menschlichen Abschaum" und "abfallartige Mischlingshunde". Sie verwies auf die gültigen Abkommen und drohte mit der Kündigung militärischer Vereinbarungen, falls Südkoreas Regierung die Ballon-Aktionen laufen ließe. "Um es klar zu sagen: Die südkoreanischen Kräfte werden gezwungen sein, einen hohen Preis zu bezahlen, wenn sie diese Situation andauern lassen."

Ministeriumssprecher Yoh in Seoul sprach von einer möglichen Gesetzesinitiative gegen die Aktivisten. Später sagte ein Vertreter des Präsidenten, die Regierung werde "mit Strenge auf Aktivitäten reagieren, welche die fortschreitende Sicherheit beschädigen". Südkorea kämpft gegen Ballons, um das Verhältnis mit dem Norden zu verbessern.

© SZ vom 05.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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