Konjunkturhilfen:Schäfer-Gümbel will ans Geld der Reichen

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Neuer Vorschlag aus Hessen: SPD-Spitzenkandidat Schäfer-Gümbel will Zwangsanleihen von großen Vermögen. Die große Koalition streitet indes weiter über Konjunkturhilfen. Die SPD wehrt sich gegen Steuersenkungspläne aus Bayern, die CSU beschimpft Vizekanzler Steinmeier als "Spaltpilz".

Aus Hessen kommt ein neuer Vorschlag zur Bekämpfung der Konjunkturkrise: Der dortige SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl im Januar, Thorsten Schäfer-Gümbel, fordert eine Zwangsanleihe für Reiche. "Eine staatliche Zwangsanleihe wäre ein schnell wirksames Instrument, um zusätzliches Geld für die Bewältigung der Wirtschaftskrise zu mobilisieren," sagte er der Bild-Zeitung. Wohlhabende mit einem Geld- und Immobilienvermögen von mehr als 750.000 Euro sollten verpflichtet werden, dem Staat zwei Prozent ihres Vermögens für 15 Jahre zu einem Zinssatz von maximal 2,5 Prozent zu leihen.

Hessens SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel (Foto: Foto: dpa)

Der SPD-Spitzenkandidat sagte: "Das wäre sehr gerecht, weil damit nur die Besitzer großer Vermögen herangezogen würden." Mit den Einnahmen, die sich auf bis zu 50 Milliarden Euro belaufen könnten, sollten zusätzliche Investitionen finanziert werden. So könnte davon die Anschaffung energiesparender Nahverkehrs-Busse und Züge bezahlt werden; ebenso Forschungsprojekte etwa im Bereich neuer energiesparender Antriebstechniken. Wie seine Parteikollegen wandte sich auch Schäfer-Gümbel gegen eine andere Maßnahme: Steuersenkungen seien in der Krise "das absolut falsche Instrument".

Ramsauer droht mit Ende der Koalition

Auf der Suche nach geeigneten Maßnahmen gegen die Krise geht es derweil auf der politischen Bühne hoch her. So greift die CSU den SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier scharf an. Landesgruppenchef Peter Ramsauer drohte im Bayerischen Rundfunk indirekt mit einem Bruch der großen Koalition. "Bei der SPD brennt die Hütte, und er will Beschlüsse ohne die CSU verabschieden", sagte Ramsauer über den Bundesaußenminister. Er werde sich damit aber nicht durchsetzen können. "Eher bricht die Koalition auseinander." Weiter sagte Ramsauer: "Das ist schon ziemlich krass, was der Kollege Steinmeier hier abgelassen hat."

Zuvor hatte bereits CSU-Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg den SPD-Kanzlerkandidaten angegriffen. "Steinmeier steht nach der Offenlegung der SPD-Beteiligung am Irak-Krieg unter Profilierungsdruck", sagte Guttenberg im Hamburger Abendblatt - deshalb versuche dieser sich als "Spaltpilz" zu etablieren.

Die CSU-Politiker reagierten auf Steinmeiers Ankündigung, das geplante Konjunkturpaket notfalls auch ohne die Christsozialen verabschieden zu wollen: "Die Koalition ist auch ohne CSU groß genug", hatte er in der Bild am Sonntag erklärt. Guttenberg konterte, CDU und CSU debattierten "konstruktiv über die richtige Strategie und lassen sich nicht durch einen Steinmeierschen Akt der Verzweiflung auseinander dividieren". Die Union werde am 4. Januar gemeinsame Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise festlegen, "und dann werden wir sehen, was mit der SPD im Koalitionsausschuss geht".

Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer hat wiederholt Steuersenkungen gefordert, was die SPD weiterhin ablehnt. Dies bekräftigte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil in der Neuen Osnabrücker Zeitung. Er kündigte an, die Sozialdemokraten würden ein steuer- und abgabenpolitisches Konzept vorlegen, das untere und mittlere Einkommen entlaste. Die Steuersenkungsforderungen auf Pump aus der CSU seien "weder wirtschaftlich vernünftig noch staatspolitisch vertretbar", betonte er.

Alle Maßnahmen müssten sich daran messen lassen, ob sie Beschäftigung sichern, sagte Heil. Wenn es Möglichkeiten der Entlastung gebe, dann "eher bei den Abgaben als bei den Steuern". Dies könne etwa durch eine stärkere Steuerfinanzierung von sozialer Sicherheit geschehen.

Unterdessen sprach sich der SPD-Politiker Thomas Oppermann dafür aus, von der im Zusammenhang mit einem zweiten Konjunkturpaket der Bundesregierung diskutierten Senkung der Krankenkassenbeiträge nur die Arbeitnehmer profitieren zu lassen. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion regte in der Frankfurter Rundschau an, den Sonderbeitrag zur Krankenkasse von 0,9 Prozent, den ausschließlich die Arbeitnehmer zahlen, durch den Bund zu finanzieren. "Das wäre gerechter und ein effektiverer Beitrag zur Kaufkraftstärkung als jede Steuersenkung", so Oppermann.

Im Zuge des zweiten Konjunkturprogramms könnten sich die Beiträge zur gesetzlichen Krankenkasse um bis zu zehn Milliarden Euro senken. Alternativ zur Übernahme des Sonderbeitrags für die Arbeitnehmer durch den Staat wird überlegt, den allgemeinen Versicherungsbeitrag zu senken. Davon würden neben den Versicherten auch die Arbeitgeber profitieren.

Die Vorsitzende des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung, Doris Pfeiffer, begrüßte die Überlegungen der Regierung. "Das Gesetz sieht ohnehin vor, dass der Steueranteil im Gesundheitsfonds langfristig auf 14 Milliarden Euro steigen soll. Diese Steuermittel schneller aufzustocken, fände ich sinnvoll", sagte sie der Süddeutschen Zeitung. "Wenn man das als Konjunkturmaßnahme machen will, dann so schnell wie möglich." Auf eine der beiden diskutierten Varianten wollte sich Pfeiffer nicht festlegen: "SPD und Union haben den Zusatzbeitrag gemeinsam eingeführt. Sie sollten jetzt auch gemeinsam entscheiden, ob er bleiben soll oder nicht."

Steinbrück: "Jetzt warten Sie doch erst einmal ab"

Zur Ruhe mahnt indes erneut Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Er hält es nicht mehr für zwingend, dass die Bundesregierung im kommenden Frühjahr die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts erklären muss. "Die Frage stellt sich doch nur, wenn in einem Haushalt die Neuverschuldung höher ist als die geplanten Investitionen. Jetzt warten Sie doch erst einmal ab, welche weiteren Entscheidungen die Regierung trifft", sagte Steinbrück der Rheinischen Post.

Wenn man sich für mehr Investitionen entscheide, stelle sich die Frage ganz anders, als wenn man für Steuersenkungen eintrete, so der Minister. Dann sinke die Verfassungsgrenze nämlich. Steuersenkungen lehnte Steinbrück daher erneut entschieden ab. Damit lasse sich kein Konjunkturschub auslösen, sagte er der Zeitung. Stattdessen plädierte der Finanzminister für eine nachhaltige Senkung der Abgaben. Dies würde gerade im unteren Einkommensbereich mehr Sinn machen. Der CSU warf Steinbrück eine Blockadehaltung vor: "Fast täglich gibt es Ultimaten von Herrn Seehofer oder Herrn Glos."

Bei einer offiziellen Feststellung der Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts kann die Regierung mehr Schulden machen, als sie für Investitionen ausgibt. Für das im Januar geplante zweite Konjunkturpaket zeichnen sich bereits jetzt zusätzliche Kredite in voraussichtlich zweistelliger Milliardenhöhe ab.

Verheugen warnt vor Steuersenkungen

Auch der Vizechef der EU-Kommission, Günter Verheugen, hat sich in die Diskussion eingeschaltet und vor Steuersenkungen gewarnt. Verheugen sagte der Tageszeitung Die Welt: "Ich glaube, dass Steuersenkungen nicht unbedingt der richtige Weg sind, um der Konjunkturkrise zu begegnen. Steuersenkungen reißen große Löcher in den Haushalt, ihre Wirkungen sind aber nicht notwendigerweise konjunkturfördernd."

Verheugen, der auch EU-Industriekommissar ist, vertritt demnach die Auffassung, im Kampf gegen die Wirtschaftskrise seien Maßnahmen zur langfristigen Strukturverbesserung besser als "hektische Steuersenkungen". Die Konjunkturprogramme in Deutschland und in anderen EU-Ländern sollten Investitionen in Bildung, Forschung, Breitbandnetze, Infrastruktur und in Projekte zur Steigerung der Energieeffizienz beinhalten. Ausdrücklich lobte Verheugen laut Welt den Umgang der Bundesregierung mit der Konjunkturkrise. Deutschland werde bei deren Bekämpfung seiner Verantwortung in Europa absolut gerecht.

"Sich Weihnachten nicht verderben lassen"

Die deutschen Verbraucher haben sich nach Erkenntnissen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) bisher noch nicht von der wachsenden Rezessionsangst anstecken lassen. "Die Bürger wollen sich Weihnachten nicht verderben lassen", sagte GfK-Vorstandschef Klaus Wübbenhorst in Nürnberg. Das Weihnachtsgeschäft verlaufe bislang ordentlich. Aufgrund der deutlich gesunkenen Inflation bleibe wieder mehr im Geldbeutel übrig.

"Bei einer Tankfüllung kann man jetzt zwölf Euro sparen. Dieses Geld tragen die Leute in die Geschäfte", sagte der GfK-Chef. Dafür spreche, dass die Sparquote nicht angestiegen sei. "Das Geld wird wirklich ausgegeben." Das Konsumklima werde sich daher auch zu Beginn des neuen Jahres noch stabil zeigen, erklärte Wübbenhorst. Ungeachtet der düsteren Konjunkturprognosen nahezu aller Wirtschaftsinstitute halte er 2009 weiterhin einen leichten Anstieg des privaten Verbrauchs um 0,5 Prozent für möglich.

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