Konflikte:Taliban erobern weite Teile von Kundus

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Die Taliban haben sich bis auf wenige hundert Meter an den Gouverneurspalast in Kundus herangekämpft. (Foto: Ghulamullah Habibi / Illustration)

Kundus (dpa) - Zwei Jahre nach dem Abzug der Bundeswehr aus Kundus haben die Taliban bei einer Offensive den Großteil der nordafghanischen Provinzhauptstadt erobert. "Die Taliban haben ihre weiße Flagge im Stadtzentrum gehisst", so der Vizegouverneur der Provinz Kundus, Hamdullah Daneschi.

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Kundus (dpa) - Zwei Jahre nach dem Abzug der Bundeswehr aus Kundus haben die Taliban bei einer Offensive den Großteil der nordafghanischen Provinzhauptstadt erobert. „Die Taliban haben ihre weiße Flagge im Stadtzentrum gehisst“, so der Vizegouverneur der Provinz Kundus, Hamdullah Daneschi.

Die Taliban kämpften sich bis auf einige hundert Meter an den schwer gesicherten Palast des Gouverneurs der Provinz Kundus heran. Kundus wäre die erste Provinzhauptstadt, die seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001 von den radikalislamischen Aufständischen erobert würde.

Polizeisprecher Sajed Sarwar Hussaini sagte: Die afghanischen Sicherheitskräfte kämpfen noch gegen die Taliban. Vier von fünf Polizeidistrikten in der Stadt sind jetzt unter Taliban-Kontrolle. Der Gouverneurspalast und das Polizei-Hauptquartier seien weiterhin in der Hand der afghanischen Sicherheitskräfte. Die Taliban hätten aber das Provinz-Gefängnis gestürmt. „Sie haben das Gefängnis in der Stadt erobert und rund 500 Gefangene befreit, darunter auch Taliban-Kämpfer.“

Ein Taliban-Kommandeur namens Mullah Usman in Kundus-Stadt sagte: „Mehr als 1000 Taliban nehmen an dieser Operation teil.“ Vizegouverneur Daneschi wurde nach Berichten von Augenzeugen vom Gouverneurspalast zum Flughafen gebracht, wohin mehrere Menschen geflohen waren. Dort unterhalten auch die afghanischen Sicherheitskräfte Stützpunkte. Der Gouverneur hielt sich bereits vor dem Angriff der Taliban im Ausland auf.

Ein Mitarbeiter einer internationalen Hilfsorganisation sagte, Ausländer hätten sich ebenfalls am Flughafen außerhalb der Stadt versammelt. Lokale Medien berichteten, die Vereinten Nationen hätten ihr Personal aus Kundus abgezogen. Das UN-Gebäude sei danach von den Taliban geplündert worden.

Die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) hatte schon vor der Offensive alle internationalen Mitarbeiter aus Kundus herausgebracht. Das Auswärtige Amt schätzte die Entwicklung in Kundus am Montag als „kritisch“ ein. Eine Sprecherin teilte mit: Wegen anhaltender Unübersichtlichkeit ist eine abschließende Bewertung, ob damit eine grundsätzliche Änderung der Sicherheits- oder militärischen Lage verbunden ist, allerdings zu früh.

Die Aufständischen hatten am Montag die Offensive zur Eroberung von Kundus-Stadt begonnen. „Kundus-Stadt ist am Morgen aus mehreren Richtungen angegriffen worden“, sagte Hussaini. Die Taliban riefen Zivilisten dazu auf, bis zum Ende der Kämpfe in ihren Häusern zu bleiben. Angaben zu Opfern lagen zunächst nicht vor.

Den Taliban gelang es, mehrere Regierungsgebäude unter ihre Kontrolle zu bringen. „Sie haben auch das öffentliche Krankenhaus mit seinen 200 Betten eingenommen“, sagte Provinzratsmitglied Ghulam Rabbani Rabbani. Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid teilte über Twitter mit, in dem Provinz-Krankenhaus suchten Taliban-Kämpfer nach „verwundeten feindlichen Soldaten“. Einige Polizisten seien gefangen genommen worden. Die Taliban hätten Fahrzeuge und Waffen erobert und setzten ihren Vormarsch fort.

Ein dpa-Reporter in Kundus sagte, die Taliban hätten wichtige Zufahrtsstraßen zur Stadt abgeschnitten. Ein Regierungsmitarbeiter in Kundus-Stadt, der anonym bleiben wollte, sagte: Taliban-Kämpfer mit ihren Waffen sind überall in der Stadt.

In der Nähe des Flughafens unterhielt die Bundeswehr bis vor ihrem Abzug vor knapp zwei Jahren ein Feldlager. Die Nato beendete ihren Kampfeinsatz in Afghanistan im vergangenen Jahr. Der Nachfolgeeinsatz „Resolute Support“ dient vor allem der Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte. US-Truppen fliegen allerdings weiterhin Luftangriffe gegen die Taliban.

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