Es ist ein Moment des Triumphs im Mali-Konflikt: In Timbuktu feiern die Menschen auf den Straßen, nachdem französische und malische Truppen einmarschiert sind. In der Hauptstadt Bamako ist die Jubelstimmung so groß, dass auf den Märkten französische Fahnen knapp werden. Und in Paris setzt Präsident François Hollande schon eine Siegermiene auf.
Nach Gao und Timbuktu muss nur noch Kidal erobert werden - dann wären die Islamisten aus ihren drei Hochburgen im Norden vertrieben, wo sie die Menschen zuletzt im Namen der Scharia terrorisiert haben. Der Präsident von Burkina Faso und Vermittler im Mali-Konflikt, Blaise Compaoré, mag also recht haben, wenn er verkündet, das Schlimmste sei vorbei. Doch mindestens genauso sicher ist: Der schwerste Teil steht noch bevor.
Die französische Intervention war notwendig, um zu verhindern, dass die Islamisten sich im Norden Malis dauerhaft festsetzen oder gar noch Richtung Süden vorrücken. Noch sind die Radikalen aber nicht besiegt. Ihr Rückzug dürfte taktischer Natur sein, als nächstes droht ein Guerillakrieg zwischen Felsenhöhlen und Wüstendünen. Wer allerdings nur auf die Dschihadisten schaut und den Konflikt lediglich als eine weitere Episode im weltweiten Anti-Terror-Kampf begreift, der begeht einen Fehler.
Die Frage nach den langfristigen Zielen
Wie so oft im Krieg - etwa in Libyen und in Afghanistan - muss der erste Pulverdampf verwehen, bevor die Frage nach den langfristigen Zielen des Einsatzes in den Vordergrund rücken kann. Und so sollte auch der Moment des Triumphs in Mali ein Moment des Innehaltens werden. Für wen genau wird der Norden des Landes eigentlich befreit?
Die Konzentration aller Kräfte auf die Abwehr der islamistischen Bedrohung hat die politische Blockade in der Hauptstadt Bamako in den vergangenen Wochen ganz gut kaschiert. Dort übernahm nach dem Putsch im März eine Übergangsregierung unter Interimspräsident Dioncounda Traoré die Macht. Im Hintergrund aber zog weiterhin die Militärjunta um Hauptmann Amadou Sanogo die Strippen - wie sich am erzwungenen Rücktritt des Premiers im Dezember deutlich zeigte.
Nach dem Ruf von Präsident Traoré nach militärischer Hilfe aus Frankreich gegen die vorrückenden Islamisten wurde Sanogo, der eine solche Intervention ablehnte, zwar vorerst in eine Zuschauerrolle gedrängt. Doch der Machtkampf im Süden Malis schwelt weiter. Freie und faire Wahlen, wie sie Traoré bis Ende Juli wünscht, mögen derzeit noch unvorstellbar sein. Trotzdem muss die Frage, wer das Land und vor allem den Norden künftig führen soll, parallel zum Militäreinsatz und nicht erst an dessen Ende beantwortet werden.
Der Ursprung der Krise
Dabei darf der Ursprung der Krise nicht aus dem Blick geraten: Es waren die Tuareg, die den Norden zunächst überrannten und dann die Kontrolle an die Islamisten verloren. Ihre Forderung nach Selbstbestimmung ist jahrzehntealt, ihre Revolte im vergangenen Jahr war eine Fortführung früherer Aufstände gegen die Zentralregierung. Die Tuareg sehen sich als benachteiligte Minderheit, Friedensabkommen scheiterten immer wieder oder wurden halbherzig umgesetzt.
Es ist daher eine Chance, dass die Tuareg-Bewegung MNLA nun ihre Hilfe im Kampf gegen die Terroristen angeboten hat, denn kaum jemand kennt das Wüstenterrain im Norden so gut wie sie. So zerstritten die Tuareg untereinander auch sind und so misstrauisch der Süden sie auch beäugt - man wird nicht darum herumkommen, sie politisch einzubinden und ihnen bei der wirtschaftlichen Entwicklung des abgehängten Nordens entgegenzukommen.
Die Nachbarstaaten sollten den Hilfseinsatz übernehmen
Es wird Zeit brauchen, bis aus Mali ein stabiler Staat wird, es wird schwierig werden und auch teuer. Die jüngsten militärischen Erfolge sollten nicht zu Illusionen verleiten: Werden die tiefer liegenden Probleme nicht entschieden angepackt, wird das Triumphgefühl schnell der Ernüchterung weichen. Militärische, politische und wirtschaftliche Unterstützung der internationalen Gemeinschaft für Mali ist dabei unabdingbar.
Doch allein schon, um sich nicht dem Vorwurf des Neokolonialismus auszusetzen, wird die französische Armee in Mali nicht länger die Führung behalten als unbedingt nötig. Dann sollten die afrikanischen Nachbarstaaten den Hilfseinsatz in Mali übernehmen. Es liegt auch in ihrem Interesse zu verhindern, dass die Dschihadisten der Region sich zusammenschließen und das Chaos - wie bei dem Geiseldrama in Algerien - auf ihre Länder überschwappt.
Ohne die Intervention der früheren Kolonialmacht Frankreich gäbe es in Mali jetzt wohl kaum Erfolge zu bejubeln. Nun wird es Aufgabe der Afrikaner sein, das gewonnene Terrain zu halten.