Kommunalwahl:Türken stimmen über Erdoğan ab

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Premier Erdoğan bei der Stimmabgabe in Istanbul (Foto: REUTERS)

"Die Nation wird heute die Wahrheit sagen": Premier Erdogan erhöht bei der Kommunalwahl die Erwartungen an einen Erfolg seiner Partei. Für den angeschlagenen AKP-Chef geht es auch um seine politische Zukunft.

Fast 53 Millionen Türken sollen über Bürgermeister und Kommunalparlamente im ganzen Land abstimmen. Sie entscheiden aber auch über die Zukunft von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan, der sich schweren Korruptionsvorwürfen ausgesetzt sieht. Das Wahlergebnis wird erheblichen Einfluss darauf haben, ob der 60-Jährige sich im August um das Präsidentenamt bewirbt.

Erdoğan selbst steigert die Erwartungen am Wahltag. Bei der Stimmabgabe im Istanbuler Stadtteil Üsküdar sagte er: "Die Nation wird heute die Wahrheit sagen". Bei der Kommunalwahl 2009 hatte die AKP mit 38,8 Prozent im Landesdurchschnitt alle anderen Parteien hinter sich gelassen. Umfragen sehen Erdoğans Partei zwischen 35 und 45 Prozent. Der Regierungschef gab die Losung aus, alles über 38,8 sei ein Sieg. Bei der jüngsten Parlamentswahl 2011 hatte die AKP allerdings knapp 50 Prozent erzielt.

Erdoğan steht seit vergangenem Sommer wegen seines zunehmend autoritären Regierungsstils unter Druck. Die Regierung ließ in den vergangenen Monaten Tausende Polizisten, Richter und Staatsanwälte austauschen. Zudem ließ Erdogan die Internet-Plattformen Twitter und YouTube sperren, um zu verhindern, dass darüber Korruptionsvorwürfe verbreitet werden. Die Sperrungen stoßen in der Bevölkerung aber auf massive Proteste. Selbst Staatspräsident Abdullah Gül, ein alter Weggefährte Erdoğans, setzte sich demonstrativ über das Twitter-Verbot hinweg.

Zuletzt war ein Mitschnitt eines Gesprächs zwischen Außenminister Ahmet Davutoğlu, dem Geheimdienstchef und einem hohen Offizier aufgetaucht, die sich darüber unterhalten, wie die Türkei ein militärisches Eingreifen in Syrien "provozieren" könne. Das Treffen wurde vom Ministerium bestätigt, der Inhalt aber als "teilweise verfälscht" bezeichnet. Am Samstag erklärte die Regierung, der Vorwurf, die Türkei habe einen Kriegseinsatz erwogen, um die Wahl zu beeinflussen, sei absurd. Schließlich gebe es "keinen Bezug zwischen dem Ergebnis lokaler Wahlen und der Regierung".

Die größte Oppositionspartei CHP hat viel in den Wahlkampf investiert - vor allem in der Hauptstadt Ankara und der Metropole Istanbul. Mit Mustafa Sarigül kandidiert ein populärer Mann am Bosporus. Parteichef und Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu sagte bei der Stimmabgabe in Ankara, die türkische Demokratie müsse "gestärkt und gesäubert" werden. Er vertraue auf das Volk, damit eine "angenehme Demokratie" gebaut werden könne.

Bei Auseinandersetzungen während der Kommunalwahl wurden Medienberichten zufolge acht Menschen getötet. In mindestens zwei Orten in der Nähe der syrischen Grenze seien Anhänger verschiedener Kandidaten für das Amt des Dorfvorstehers aufeinander losgegangen, berichtete der Sender CNN Türk. Die Zeitung Hürriyet und die Nachrichtenagentur Reuters bestätigten die Berichte. Demnach seien bei den Kämpfen mit Knüppeln und Messern auch mindestens 13 Menschen verletzt worden.

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