Kommentar:Wut statt Blumen

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Israels Raketen auf Beirut befördern den Hass in der arabischen Welt und helfen den Radikalen.

Christiane Schlötzer

Es gibt die Erinnerung an 1982, in der arabischen Welt, insbesondere im Libanon. Damals marschierte die israelische Armee ebenfalls in den Süden des Landes ein - und die Panzer der Israelis wurden, undenkbar heute, von den libanesischen Schiiten mit Blumen begrüßt. Weil die Israelis gekommen waren, um Jassir Arafats Fatah aus der Region zu vertreiben. Die palästinensische Fatah hatte zuvor die Schiiten gequält.

Der Jubel legte sich rasch, denn nun begannen die Israelis, die libanesischen Schiiten rüde zu behandeln. Dies wiederum beförderte die Entstehung der schiitischen Hisbollah-Miliz, mit der sich die Israelis nun fast 25 Jahre später herumschlagen.

Die Erinnerung an 1982 ist eine Erinnerung, die sich mit Schwarz-Weiss-Fotos unterfüttern lässt. Heute tragen Satelliten-Sender die Farbbilder von Blut und Zerstörung 24 Stunden lang in alle arabischen Haushalte (solange Elektrizitätswerke und Generatoren noch arbeiten).

Der Unterschied zum Krieg von einst ist die mediale Dauerpräsenz des Konflikts, in Bildern äußerster Brutalität, die ihre eigene Realität schaffen.Sie vergrößern und vergröbern das ohne Zweifel bereits dramatische Geschehen.

Bilder der Zerstörung und Marschmusik

Es ist nicht davon auszugehen, dass die israelische Regierung bei ihrer Kriegsführung sich den Kopf über das Satelliten-TV und seine Wirkung zerbricht, aber sie sollte es tun. Denn die Bilder der verwundeten oder getöteten Libanesen werden die offene und die verborgene Wut auf Israel in der gesamten Region anfachen.

Die Bilder und die Beklemmung, die sie auslösen, werden zudem benutzt - und zwar je nach Interessen. Das syrische Staatsfernsehen unterlegt die Sequenzen aus Beiruts Straßen der Verwüstung und die Aufnahmen triumphierender Hisbollah-Kämpfer bereits mit Marschmusik, in der Hoffnung, damit eigenen Kampfeswillen zu demonstrieren.

Die Wahrheit ist: Viele arabische Regime werden von ihren Völkern als schwach empfunden, weil sie es in Jahrzehnten nicht geschafft haben, Israel in die Schranken zu weisen oder den Palästinensern zu einem lebensfähigen Staat zu verhelfen.

Rhetorisches Halbstarkentum kann darüber nicht hinwegtäuschen. Aus dieser Unzulänglichkeit versucht nun die Hisbollah politisch Kapital zu schlagen, deshalb brüstet sie sich ihrer militärischen Erfolge gegen Israel.

Auch der Libanon ist ein schwaches Land. Seine Regierungen haben es nicht fertiggebracht, eine starke Armee aufzubauen oder die Schiitenmiliz Hisbollah zu entwaffnen. Aber ein starker libanesischer Staat war auch nicht gewollt, nicht von den Syrern, die ihren Einfluss auf Beirut nie verlieren wollten, nicht von den großen mächtigen libanesischen Familien, und auch nicht von Israel.

In letzter Zeit, vor dem jetzigen Krieg, war auch die Hisbollah schon geschwächt. Ihre syrischen Freunde waren unter großem politischen Druck aus dem Libanon abgezogen und die Rufe nach Entwaffnung der Schiiten-Miliz waren lauter geworden. Nun sonnt sich Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah in einem neuen Heldenstatus, als arabischer Führer, der es wagte, Israel anzugreifen.

Wenn die Scherben zusammengekehrt sein werden und alle Toten beerdigt, dann wird die Bilanz dieses Konflikts aber auch für die arabische Welt bitter sein.

Was beispielsweise soll aus den islamisch-politschen Bewegungen in der arabischen Welt, in Ägypten oder am Golf, werden? Sie haben sich zuletzt intensiv bemüht, die Regierungen ihrer Länder zu mehr Demokratie zu drängen? Eine erstarkte Hisbollah aber bringt diejenigen unter Zugzwang, die gerade erst ins Lager der Gemäßigten gewechselt sind. Und wer wird autoritäre Regime dann hindern, die Islamisten zu verfolgen?

Das sind keine guten Aussichten für die so nötige Demokratisierung im Nahen Osten. Dies alles wird aber auch Israel nicht helfen - weil es die Zahl derjenigen, die den radikalen Rattenfängern auf den Leim gehen, nur erhöht.

© SZ vom 21.07.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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