Kommentar:Stoiber strauchelt

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Der kleine CSU-Parteitag könnte die Erosion der Stoiberschen Macht noch beschleunigen. Der Parteichef befindet sich in der absurden Situation, dass er bei den Delegierten um Zustimmung zur großen Koalition werben und gleichzeitig seinen Verzicht auf ein Ministeramt begründen soll. Das kann nur schief gehen.

Sebastian Beck

Kaum eine Woche ist es her, dass Edmund Stoiber in der CSU-Fraktion um eine zweite Chance gebettelt hat. Doch es deutet nur wenig darauf hin, dass er sie auch bekommen wird. Vielmehr schreitet der politische Kursverfall des bayerischen Ministerpräsidenten ungebremst voran.

Wenn es um die Beschreibung von Stoibers Lage geht, wird mittlerweile gefährlich oft an den Niedergang seines Vorgängers Max Streibl erinnert. Unter ihm war die CSU 1993 in eine schwere Krise geraten. Die "Amigo-Affäre" bot damals den willkommenen Anlass, um Streibl loszuwerden und den Erneuerer Edmund Stoiber als Regierungschef zu wählen. Auch jetzt bräuchte die CSU in Bayern wieder eine politische und personelle Reform. Der angeschlagene Ministerpräsident dürfte dazu jedoch kaum mehr in der Lage sein.

Seit seinem Rückzug aus Berlin und dem Scherbengericht in der CSU-Fraktion wird der einstige Super-Star mehr geduldet denn respektiert. Stoiber hat die Autorität verloren, deshalb wagen sich auch seine Gegner aus der Deckung: Schneidige Provinzpolitiker und pensionierte Minister mäkeln nun tagtäglich an ihm herum, der Vorsitzende der Jungen Union, Manfred Weber, redet sogar vom Putsch in der CSU-Fraktion, Gerüchte von geheimen Umfragen zirkulieren, wonach die CSU unter 40 Prozent gefallen sei.

Der treue Weggefährte geht

Vor wenigen Wochen noch wäre all das völlig undenkbar gewesen. Aber nichts deutet darauf hin, dass sich die CSU ihrem entzauberten Vorsitzenden wieder unterordnen wird. Im Gegenteil: Der kleine Parteitag in München könnte die Erosion der Stoiberschen Macht sogar noch beschleunigen. Solche Versammlungen nutzte der CSU-Chef in der Vergangenheit stets dazu, um sich als Retter Deutschlands feiern zu lassen. Diesmal tritt er als abgehalfterter Landespolitiker vor seine Zuhörer. Er befindet sich in der absurden Situation, dass er bei den Delegierten um Zustimmung zur großen Koalition werben und gleichzeitig seinen Verzicht auf ein Ministeramt begründen soll. Das kann nur schief gehen.

Selbst am Abend des zeitlich nicht begrenzten Parteitages muss Stoiber wieder einmal ganz dringend weg - zum Treffen mit dem US-Gouverneur Jeb Bush. Dabei hatte der Ministerpräsident erst am Mittwoch geschworen, er werde sich in Zukunft mehr Zeit für die Landespolitik nehmen und jede Gelegenheit zum Gespräch nutzen. Ausgerechnet jetzt lässt ihn auch noch einer seiner treuesten Weggefährten im Stich: Otto Wiesheu wechselt am 1. Januar in den Aufsichtsrat der Bahn.

Neben Staatskanzleichef Erwin Huber und Innenminister Günther Beckstein zählt der Wirtschaftsminister zu den drei zentralen Stützen der Staatsregierung. Schon seit Jahren hatte Wiesheu mit einem Wechsel in die Wirtschaft geliebäugelt. Sein Ausstieg aus dem Ministerrat kommt für Stoiber nun aber zur Unzeit. Jetzt wird der Druck auf den Ministerpräsidenten wachsen, das Kabinett gleich im großen Stil umzubauen.

Allerdings: In Bayern ist bereits die Besetzung eines einzelnen Ministerpostens eine komplizierte Angelegenheit, da stets die Interessen der sieben Regierungsbezirke berücksichtigt werden müssen. Jetzt muss Stoiber aus einer Position der Schwäche heraus gleich mehrere Minister austauschen - an öffentlichen Ratschlägen und Forderungen von Verbänden, konfessionellen Gruppen und Partikular-Interesslern wird in den nächsten Tagen kein Mangel herrschen.

Stoiber will das neue Kabinett erst nach der Kreuther CSU-Klausur im Januar vorstellen. Er wird jedoch schneller entscheiden müssen, wenn sich die CSU nicht weiter selbst zerfleischen soll. Stoiber kann sich glücklich schätzen, wenn er die bayerische Herbstdepression als Ministerpräsident politisch übersteht und überhaupt noch bis zur Landtagswahl 2008 durchhält. Dann aber wird in Bayern für ihn Schluss sein.

© SZ vom 14.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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