Kommentar:Nach der Scheidung: Ab zur Arbeit!

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Das neue Unterhaltsrecht schafft neue Zumutungen für geschiedene Frauen und Mütter.

Heribert Prantl

Als vor knapp dreißig Jahren das neue Ehescheidungsrecht eingeführt, also das Verschuldensprinzip abgeschafft wurde, lautete eine feminine Kritik daran so: Nun werde als vermeintliche Errungenschaft die archaische Verstoßung der Frau (wie es sie als "talaq" bis heute im Islam gibt) wieder eingeführt; sie heiße nur anders - nämlich "Zerrüttung".

Der Ehemann könne nun jederzeit seine Ehefrau verlassen und sich der jungen Freundin zuwenden. Die Ex-Ehefrau aber, die sich der Kindererziehung gewidmet, ihr Leben in den Dienst der Familie gestellt, ihre ganze Lebensplanung darauf ausgerichtet habe, gerate in Existenznöte.

Um dieser Kritik zu begegnen, hat der Gesetzgeber damals das neue, die Scheidung sehr erleichternde Recht kombiniert mit absichernden Unterhaltsregelungen für die geschiedene Ehefrau; die Rechtsprechung hat deren Unterhalt dann (unter Hochhalten des Bilds von der Hausfrauenehe) opulent ausgebaut.

Diese Großzügigkeit wird nun durch die Reform des Unterhaltsrechts partiell zurück-korrigiert. Die Ex-Ehefrau steht künftig finanziell nicht mehr so gut da wie bisher: Erstens deswegen, weil sie nun im Rang in der Regel hinter den Kindern aus der alten und aus der neuen Beziehung des Mannes zurücktreten muss; und zweitens deswegen, weil ihr unter dem neuen gesetzlichen Stichwort "Eigenverantwortlichkeit" zugemutet wird, früher als bisher wieder einer Erwerbstätigkeit nachzugehen - auch wenn sie in ihrem Haushalt Kinder zu betreuen hat.

Die bisher von der Rechtsprechung entwickelten Zumutbarkeits-Regeln werden nun aufgeweicht. Sie sahen so aus: Kind unter acht Jahren - der Mutter war keine Erwerbstätigkeit zumutbar; Kind zwischen 8 und 11: Teilzeitbeschäftigung nach Einzelfall zumutbar; Kind 11 bis 15: Teilzeitbeschäftigung zumutbar, nicht unbedingt Halbtagsstelle; Kind über 16 Jahre: Vollzeitbeschäftigung zumutbar.

Der Realität nicht gerecht

Diese Regeln werden aber, so Justizministerin Brigitte Zypries, der Realität nicht mehr gerecht - schließlich hätten sich die Möglichkeiten der Kinderbetreuung sehr verbessert. Viele Mütter werden das energisch bestreiten und sich angesichts der hohen Arbeitslosigkeit für den abstrakten Verweis auf zumutbare Arbeit sehr bedanken.

Das heißt: Die Familiengerichte werden einiges zu tun kriegen, um festzustellen, ob die Mutter konkret Arbeitsmöglichkeiten hätte.

Richtig an der Reform ist, dass das Bild von der Hausfrauenehe nicht mehr stimmt, welches dem Scheidungsrecht von 1977 und der Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht zugrunde lag. Die Reform versucht, der heutigen Wirklichkeit näher zu kommen.

Es kann sein, dass dies zu massenhaften Klagen von geschiedenen Ehemännern führt, die den Unterhalt für die Ex-Frau unter Hinweis auf das neue Recht abändern und ihre Ex-Frau mehr arbeiten lassen wollen. Die Gerichte werden die Flut der Abänderungsklagen aber einzudämmen wissen - durch den Hinweis auf den "Vertrauensschutz" der geschiedenen Ehefrau.

© SZ vom 6.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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