Kommentar:Hohn für die Helfer

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Susanne Osthoffs Aussagen verwirren eher, als dass sie Verständnis fördern. So richtet sie nach ihrer Freilassung Schaden an und gefährdet das Leben anderer.

Stefan Kornelius

Susanne Osthoff ist es völlig unbenommen, ihr Leben an einem Ort ihrer Wahl zu leben - und sei es in der Umgebung der Kidnapper, die sie wochenlang gefangen hielten und mit dieser Entführung die Bundesregierung erpressten.

Susanne Osthoffs Verhalten ist nach wie vor umstritten. (Foto: Foto: AFP)

Ebenso unbenommen muss es dann aber den Susanne Osthoff bisher wohlwollend gesonnenen Mitbürgern sein, dass sie sich von der Frau abwenden, weil sie ihr Verhalten mit gesundem Menschenverstand nicht mehr erklären können.

Der Marktwert sinkt

Zwar könnte es nach einer möglichen Rückkehr in den Irak noch einmal passieren, dass die deutsche Bürgerin Osthoff verschleppt würde, und der Staat seiner Pflicht zur Hilfe nachkommen müsste, aber die Gefahr ist eher gering.

Nach den Pirouetten der vergangenen Tage ist - zynisch ausgedrückt - Osthoffs Marktwert gesunken. Die Entführte sagt ja selbst, dass sie quasi von Freunden verschleppt wurde. Wer wird es glauben, wenn sie noch einmal Hilfe braucht?

Osthoffs Interview im arabischen Nachrichtenfernsehen brüskiert all die Menschen, die sich für das Verschleppungsopfer eingesetzt haben, sei es im Krisenstab der Bundesregierung oder auf Mahnwachen. Osthoff sagte da, es habe sich um eine "politische Entführung" gehandelt, nicht um ein "Verbrechen".

Ist eine politische Entführung kein Verbrechen?

Über diese subtile Form der Differenzierung - wann ist eine Entführung ein Verbrechen, wann nicht? - würde man gerne mehr erfahren. Aber Susanne Osthoff steigert die Verwirrung noch mit den nächsten Sätzen: Ihre Entführer wollten Geld für humanitäre Projekte im sunnitischen Dreieck erhalten.

Gleichzeitig forderten die Kidnapper aber auch das Ende der Hilfe der Bundesregierung im Irak (dies war der "politische" Teil der Entführung, von dem Frau Osthoff sich offenbar nicht distanzieren wollte). Der Widerspruch ist fast schon beleidigend.

Vermutlich hat die Bundesregierung einen hohen Betrag zur Freilassung Susanne Osthoffs bezahlt. Jeden Mitbürger, der letztlich dieses Geld aufbringt, kann die Wahrnehmung der Archäologin nur noch befremden. Gänzlich unverantwortlich wird ihr Verhalten, wenn man die Folgen bedenkt: Erstens wirkt ihr Auftritt im arabischen Fernsehen wie eine Einladung an Nachahmungstäter. Osthoff hat die anderen westlichen Helfer im Irak in zusätzliche Gefahr gebracht.

Osthoff verkennt die Dimensionen

Und zweitens wird es bei künftigen Entführungen nun schwerer fallen, die öffentliche Empörung und Aufmerksamkeit zu erregen, die auch nötig ist, um das Leben einer Geisel zu schützen. Nicht jede Geisel wird das Glück haben, in die Hände offenbar wohlgesonnener Erpresser zu gelangen, die sich am Ende lediglich persönlich bereichern wollen.

Bei einem terroristischen Hintergrund geht es den Geiselnehmern um die symbolische Gefangennahme einer ganzen Nation. Eine auf Video verbreitete Hinrichtung löst schnell ein nationales Trauma aus. Susanne Osthoff verkennt in diesem Zusammenhang die Bedeutung, die ihre Entführung für das Land hatte. Sie verhöhnt ihre Helfer.

© SZ vom 28.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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