Kommentar:Die Mär von der Sicherheit

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Die Verhaftung von Kiel hat klar gemacht, dass auch Deutschland im Visier von Terroristen ist.

Peter Fahrenholz

Unangenehme Wahrheiten zu verdrängen gehört zu den menschlichen Grundeigenschaften. Wer hätte nicht schon vor einer lästigen Sache die Augen verschlossen, sei es, um ein wenig Zeit zu gewinnen, sei es in der Hoffnung, das Problem werde sich vielleicht von selbst erledigen? Doch die ernsten Probleme erledigen sich so gut wie nie von selbst.

Die Terrorgefahr wurde von der deutschen Gesellschaft lange verdrängt. Sicherheitsexperten und auch die Innenminister in Bund und Ländern warnen zwar seit Jahren, dass auch Deutschland ein mögliches Ziel terroristischer Angriffe sein könnte. Doch im Bewusstsein der Allgemeinheit ist die Gefahr nie richtig ernst genommen worden.

Es wird uns schon nicht treffen

Irgendwie herrschte das diffuse Gefühl vor, am Ende werde es das Land schon nicht treffen. Weil Deutschland ja nicht am Irak-Krieg teilgenommen habe und weil die Republik in der islamischen Welt eigentlich einen guten Namen hat.

Mit der Verhaftung von Kiel ist dies endgültig als naiver Irrglaube entlarvt worden. Auch Deutschland ist Operationsgebiet für terroristische Zellen mit islamistischem Hintergrund.

Dass bisher noch nicht mehr passiert ist, war vermutlich einer Mischung aus Glück und guter Polizeiarbeit zu verdanken. Die Sicherheitsbehörden haben bereits mehrere Anschläge in der Planungsphase vereitelt. Es wäre fatal, wenn jetzt wieder die reflexhafte Debatte um Gesetzesverschärfungen losginge, die in Deutschland gern geführt wird, nachdem etwas passiert ist. Die gesetzlichen Instrumente sind vorhanden, die Achillesferse ist eher der operative Bereich.

Es ist kein Zufall, dass die Beteiligten an der Kieler Aktion sich gegenseitig dafür gelobt haben, wie reibungslos ihre Zusammenarbeit geklappt habe. Denn das ist der Schlüssel, der über Wohl und Wehe aller polizeilichen Großaktionen entscheidet.

In Deutschland sind, weil es das Grundgesetz so wollte, die polizeilichen Aufgaben zwischen Bund und Ländern zersplittert, und es gibt gute Gründe, diese Struktur, ähnlich wie beim Schulwesen, für einen Konstruktionsfehler der Verfassung zu halten. Denn die Verteilung von Zuständigkeiten birgt immer die Gefahr von Eifersüchteleien und Kompetenzgerangel.

Das Beste daraus machen

Dennoch nützt es wenig, jetzt darüber zu räsonieren, ob Deutschland mit einer straff organisierten Bundespolizei, einer Art deutschem FBI, besser für den Anti-Terror-Kampf gerüstet wäre. Eine solche Polizei wird nicht kommen, eine politische Mehrheit dafür gibt es nicht. Es bleibt deshalb nichts anderes übrig, als aus dem vorhandenen System das Beste zu machen und persönliche Eitelkeiten von Amtsträgern aller Ebenen zu unterbinden.

Die Politik sollte rasch entscheiden, was tatsächlich unstrittig ist. Dazu gehört die Einführung der Antiterror-Datei und eine verstärkte Videoüberwachung gefährdeter Orte. Die kann Anschläge zwar nicht verhindern, aber, wie Kiel gezeigt hat, die Aufklärung entscheidend erleichtern.

© SZ vom 21.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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