Kommentar:Der Mann ohne Mitte

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Karl Rove war zwar ein mächtiger Präsidentenberater, aber seine Radikalität hat alles aufgezehrt.

Stefan Kornelius

Karl Rove wird gerne als wichtigster Präsidenten-Einflüsterer aller Zeiten beschrieben, als sinistrer Machiavellist, als brutaler Polit-Stratege, als George W. Bushs Hirn. Dieser George Bush nennt Rove boy genius, vermutlich um einerseits Respekt vor der intellektuellen Brillanz des Mannes zu bezeugen, andererseits um klarzumachen, wer Herr und wer Hund ist: Bush, das ist der Präsident; Rove, das ist nur der Berater.

Karl Rove, der nun seinen Rücktritt ankündigt, mag das anders sehen. Die Legende will es, dass er sich den jungen Bush als politische Figur geradezu kreierte, um seine Fähigkeiten als Marionettenspieler auszuleben. Das macht den Mythos aus: Rove als Lenker eines überforderten Präsidenten, das Hirn hinter einer außergewöhnlich spalterischen und ideologisierten Präsidentschaft.

Wie immer, wenn politische Fähigkeiten derart überschwänglich beschrieben werden, sollte man gelassen bleiben und darauf vertrauen, dass alles vergänglich ist im Geschäft der Macht. Karl Rove hatte zumindest auch dafür ein Gespür, denn das Urteil über seine Person würde noch drastischer ausfallen, wenn er mit dem Rückzug gewartet hätte.

Unangenehme Fragen

Jetzt, zum Ende der Präsidentschaft Bushs, wird der Chefarchitekt der vergangenen sieben Jahre viele unangenehme Fragen beantworten müssen. Denn von Roves großspuriger Verheißung einer jahrzehntelangen Dominanz der Republikaner, seine Vorhersage vom Niedergang der Demokraten, seine Prophezeiung einer ewigen Allianz aus Reichen, Rechten und Religiösen - von all dem ist wenig geblieben. Es entpuppt sich als Tagesgewäsch angesichts der sich rapide verschiebenden politischen Kräfteverhältnisse in den USA.

Rove tat, was Politiker seit Cicero vorgemacht haben: Er konstruierte Mehrheiten, indem er polarisierte, emotionalisierte, den nationalen Pathos weckte und Abhängigkeiten schuf. Aber: Rove war kein Cicero, er war auch nicht einmal ein Clinton, weil er die Öffentlichkeit scheute und Wohlbehagen nur empfand im Kreis von Gleichgesinnten. Das ist feige, aber üblich bei Menschen, die nur schwarz oder weiß kennen, Feind oder Freund.

Rove und seine Techniken sind damit typisch für einen politischen Trend, der schon bei Nixon zu spüren war, und der spätestens unter Reagan zum festen Bestandteil des politischen Stils in Amerika wurde. Er ist gekennzeichnet durch eine ungewöhnliche Härte im Umgang, durch Dramatisierung und durch die Preisgabe der Mitte - obgleich das politische Personal schwört, die Mitte pflegen und den Extremen abschwören zu wollen.

In die Radikalität gedriftet

Amerikas Parteien sind auf diesem Weg ein Stück weit in die Radikalität gedriftet. Die politische Auseinandersetzung ist zunehmend unvereinbar mit der Form der Debatte bei Amerikas Partnern im Ausland. Die Neokonservativen, von Rove zwar nicht erfunden, aber gleichwohl dankbar genutzt, waren eine besonders extreme Schöpfung in dieser Phase.

Nach den Jahren ideologischer Überhitzung verwundert es nicht, dass die Menschen Bush überdrüssig sind und erschöpft nach einem neuen Programm verlangen. Rove hat offenbar nicht verstanden, dass er das Publikum nicht aufzehren darf, wenn er weiter Applaus fordert. Das war seine größte Fehlleistung. Der permanente Fahnenappell reicht eben nicht aus, um einen Mangel an politischem Erfolg zu überdecken.

Rove hinterlässt deshalb auch nur ein schwaches Erbe: Nichts ist zu sehen von einer geschlossenen Ideologie, nicht von einem belastbaren, erhaltenswerten Dogma. Die geistige Wegzehrung ist nach sieben Jahren aufgebraucht, Amerika wird einen neuen Heilsbringer brauchen, der frische Spannung aufbaut.

Unterdessen betrachten die Republikaner die Trümmer: Ohne innenpolitische Agenda, mit einem ungeliebten Krieg im Irak, einem Präsidenten ohne Zustimmung, einer verlorenen Zwischenwahl und wenig verheißungsvollen Kandidaten für die Präsidentschaft ziehen sie ins Wahljahr 2008.

© SZ vom 14.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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