Kommentar:Das Problem heißt Westerwelle

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Bevor sich Joschka Fischer in die USA verabschiedete, gab er den Grünen den Rat, für neue Bündnisse offen zu sein. Auch die FDP müsste über neue Optionen nachdenken - stattdessen sitzt sie im neoliberalen Käfig.

Peter Fahrenholz

Spekulationen über neue politische Bündnisse sind wenige Monate nach einer Bundestagswahl eigentlich abwegig. Doch der trübe Zustand der großen Koalition lädt geradezu dazu ein, sich über andere Optionen Gedanken zu machen. Das Bündnis aus Union und SPD, vom Wähler erzwungen, um den politischen Stillstand des Landes zu überwinden, scheint bereits jetzt erschöpft zu sein.

Der Partei- und Fraktionsvorsitzende der FDP: Guido Westerwelle (Foto: Foto: dpa)

Dass sich die Regierung in diesem Zustand noch bis 2009 mit Formelkompromissen aller Art über die Runden quält, ist eine lähmende Aussicht. Joschka Fischer hat deshalb mit seinen Bemerkungen über rote und schwarze Ampeln als strategische Optionen für die Grünen einen Nerv getroffen, wie die heftigen Reaktionen in den eigenen Reihen zeigen.

Seltsam unberührt bleibt davon eine Partei, für die Fischers Diagnose genauso zutrifft: die FDP. Auch die Liberalen können, wenn es nicht zu einer erdrutschartigen Verschiebung der Kräfteverhältnisse kommt, realistischerweise nur in einem Dreierbündnis mit den Grünen und einer der großen Parteien wieder an die Macht kommen.

Unbewegliche Liberale

Das aber würde rechtzeitige politische Lockerungsübungen erfordern. Sowohl in Richtung Grüne, im vergangenen Bundestagswahlkampf noch zum Hauptgegner stilisiert, als auch in Richtung SPD, mit der FDP-Chef Guido Westerwelle nach der Wahl noch hochnäsig jedes Gespräch verweigert hatte.

Von einer neuen Beweglichkeit ist bei den Liberalen jedoch nichts zu spüren. Im Gegenteil, die FDP geriert sich nach wie vor so, als habe sie allein die politische Weisheit gepachtet und der Wähler sei nur zu blöd gewesen, es zu merken. In einer Bild-Kolumne darf Guido Westerwelle die immergleichen neoliberalen Rezepte anpreisen, die 2005 dummerweise nicht mehrheitsfähig waren.

Doch munter über neue politische Farbenlehren zu diskutieren hieße für die FDP, endlich über ihr größtes Problem zu reden: den eigenen Parteichef. Im Moment ist das tabu. Westerwelle sitzt fest im Sattel, seine innerparteilichen Widersacher hat er längst in die Knie gezwungen.

Egoistische Kühle und Selbstgerechtigkeit

Inhaltlich hat Westerwelle seine Partei auf einen fatalen Kurs geführt, er hat sie in einen neoliberalen Käfig gesperrt und zur Ein-Thema-Partei gemacht. Alle Bemühungen, die verschütteten fortschrittlichen Traditionen des Liberalismus wieder aufzugreifen und die FDP breiter aufzustellen, sind bisher Lippenbekenntnisse geblieben. Die FDP unter Westerwelle verströmt egoistische Kühle, gepaart mit Selbstgerechtigkeit.

Ob sich FDP-Strategen schon einmal gefragt haben, warum die Grünen bei den gebildeten bürgerlichen Schichten, etwa in den Universitätsstädten, so viel mehr Anklang finden? Das war auch einmal ein FDP-Milieu. Damit Debatten über neue politische Optionen einen Sinn machen, muss die FDP ihre thematische Verengung überwinden und für das aufgeklärte Bürgertum wieder attraktiv werden. Eine Lobbygruppe für Unternehmensberater und artverwandte Berufe braucht keiner als Regierungspartner.

© SZ vom 11.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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