Kommentar:Das Geschäft der Entführer

Entführungen im Irak sind ein Geschäft, Opfer kann jeder werden - selbst wenn all die Öffentlichkeit nicht erzeugt wird.

Stefan Kornelius

Aus Sicht der meisten Menschen auf der Erde sind die Deutschen sehr reich und leben in außergewöhnlich sicheren Umständen. Außerdem fällt bei einem Blick von außen auf das Land auf, dass die Deutschen in der Regel mitfühlend und spendierfreudig sind.

Wer genauer hinschaut, der wird auch entdecken, dass in diesem Deutschland nach jeder kriminell motivierten Entführung in herzlicher Offenheit über Lösegeld, Zahlungsmodalitäten und die Fürsorgepflicht des Staates seinen Bürgern gegenüber diskutiert wird. Flugzeuge der Luftwaffe fliegen BND-Mitarbeiter mit Geldkoffern durch die Welt, und dann taucht sogar ein wenig Lösegeld bei einem der Entführungsopfer auf.

Um dies klarzustellen: Deutsche und Bürger anderer Nationen können Opfer von kriminell motivierten Entführern werden, selbst wenn all die Öffentlichkeit nicht erzeugt wird.

Entführungen im Irak sind ein Geschäft, Opfer kann jeder werden, und ein Preis wird für die Freilassung zu entrichten sein. Im Zweifel erfahren die potenziellen Entführer auch nicht von den deutschen Medien von der hohen Zahlungsmoral der Deutschen. Frau Osthoffs Schicksal machte im Irak auch so die Runde.

Zusätzliche Dynamik

Gleichwohl gilt: Bei der Osthoff- und der Chrobog-Entführung ist in Deutschland eine gefährliche zusätzliche Dynamik entstanden. Auf der Bundesregierung lastete ein gewaltiger Druck, jede Form von Diskretion und Beruhigung ist da nicht möglich.

Umgekehrt ist es auch nicht hilfreich, wenn sich sofort der Minister mit Schuldzuweisungen zu Wort meldet, sobald ein Opfer zu beklagen ist. Etwas mehr Zurückhaltung und professionelle Diskretion von Politik und Medien brächten mehr Sicherheit.

© SZ vom 25.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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