Kommentar:Bushs Eröffnungszug

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Der amerikanische Präsident steht am Abgrund und schlägt deshalb Wahlkampf-Töne an: Politische Gegner werden diskreditiert, Zweifel am Militäreinsatz als unpatriotisch niedergewalzt.

Reymer Klüver

Am Tag der Veteranen schlug George W. Bush zurück, und seine Freunde auf der Rechten jubilierten. Endlich wehrt sich der Präsident. Tatsächlich hat Bush das bitter nötig. Denn in der amerikanischen Öffentlichkeit frisst sich der Verdacht fest, der Kennern schon längst Gewissheit ist: Bush und seine Berater haben zur Rechtfertigung des Feldzugs gegen Saddam Hussein die Erkenntnisse der Geheimdienste einseitig ausgelegt, wenn nicht gar manipuliert. Jetzt griff Bush die Demokraten, allen voran den einstigen Herausforderer John Kerry, an. "Hoch unverantwortlich" nannte er sie, rechnete ihnen vor, dem Krieg erst zugestimmt zu haben und nun die Geschichte umschreiben zu wollen.

Washingtons Polit-Analysten registrierten aufmerksam den aggressiven Ton und sprachen von Wahlkampfrhetorik. Genau das ist richtig. Bush eröffnete an diesem Wochenende den Wahlkampf der Republikaner für die Kongresswahlen im kommenden Herbst und letztlich für das Rennen um die Präsidentschaft in drei Jahren. Er griff auf dasselbe Muster zurück, mit dem er seinen Wahlkampf führte: Politische Gegner werden diskreditiert, Zweifel am Militäreinsatz als unpatriotisch niedergewalzt.

Alarmierende Umfragezahlen

Bushs Rede am Veterans Day war wieder eine desaströse Woche vorausgegangen. Nach der Niederlage bei der Nominierung für den Obersten Gerichtshofs, die bereits als Tiefpunkt seiner Präsidentschaft ausgemacht war, kam es noch schlimmer. Der verhunzte Auftritt auf dem Amerika-Gipfel in Buenos Aires führte den Amerikanern vor Augen, nicht nur wie unbeliebt ihr Präsident in der Welt, sondern wie begrenzt sein außenpolitischer Spielraum ist. Zu Hause verloren die Republikaner zwei Gouverneurswahlen - auch seinetwegen, wie alle Wahlanalysen ergaben.

Im Kongress verweigerten sich moderate Republikaner seinen Haushaltsplänen: Kürzungen für die Armen und Steuererleichterungen für die Reichen. Die Abgeordneten fürchten um ihre Wiederwahl. Und dann kamen noch alarmierende Umfragezahlen hinzu: 48 Prozent aller Bürger wollen, dass die Demokraten die Kongresswahl gewinnen - seit zehn Jahren waren es nicht so viele. Und drei von fünf Amerikanern glauben, dass Bush sie in die Irre geführt hat, um Rückhalt für den Irak-Krieg zu gewinnen.

Wenn die Amerikaner zu der Überzeugung kommen, dass ihr Präsident ein Lügner ist, wäre Bush am Ende. Er wird im politischen Alltag keine Unterstützung mehr finden, weder im Inneren noch im Ausland. Vor einem Jahr hatte Bush letztlich wegen des Krieges die Wahl gewonnen: Die Leute hielten ihn für den besseren Oberkommandierenden, trauten ihm eher zu, das Land in Kriegszeiten zu führen. Nun aber läuft er Gefahr, dass er und seine Partei wegen Irak verlieren werden. Die Irak-Frage wird über Bushs Präsidentschaft und die Wahlchancen seiner Partei entscheiden. Will er bestehen, muss er den Kampf um die öffentliche Meinung gewinnen.

© SZ vom 14.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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