Kolumne:Ende der Abriegelung

Lesezeit: 1 min

Die Grenzen sind nun wieder offen. Es bleibt abzuwarten, ob Österreich wie im Sommer 2019 bald wieder Straßensperren einführt.

Von Dominik Prantl

Manchmal macht es einem dieses Österreich nicht so einfach mit der Zuneigung. Das liegt an Typen wie Heinz-Christian Strache, dessen Machtbesoffenheit auf Ibiza derzeit in einem Untersuchungsausschuss aufgearbeitet wird, oder auch an seinem Nachfolger als FPÖ-Parteichef, Norbert Hofer, dem Mann also, der fast Bundespräsident geworden wäre. Diese Woche sagte Hofer, der Koran sei gefährlicher als Corona. Im Kleinen liegt das aber auch an Äußerungen wie jenen von Tirols Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Geisler, der eine Umweltschützerin ein "widerwärtiges Luder" hieß, was in seiner Heimat ja beinahe noch als Kompliment durchgehe, so sinngemäß die spätere Erklärung.

Dabei gab es ja durchaus auch Nachrichten, die sich für eine sympathischere PR-Offensive geeignet hätten. Zum Beispiel haben viele Österreicher in der Krise die geliebtgehassten Deutschen - oder "die Deitschn", wie sie in Geislers Heimat gerne sagen - angesichts geschlossener Grenzen wieder schätzen gelernt. Es hätte nicht überrascht, wenn so manche regionale Zeitung auf ihrer Webseite einen Countdown bis zur Grenzöffnung am 15. Juni eingerichtet hätte. Und die große Border Opening Party des für Tourismus verantwortlichen Ministeriums ist an diesem Montag sicherlich nur deshalb kurzfristig abgeblasen worden, weil die Behörden gerade noch rechtzeitig merkten, dass höchstens 100 Personen hätten teilnehmen dürfen. Die "Piefke - I mog di, altes Luder"-Werbekampagne erhielt in Tirol doch noch einen anderen Namen und heißt jetzt: "Es geht Bergauf".

Bei all dem launigen Umgang mit den Lockerungen bleibt abzuwarten, ob Österreich in Zeiten, in denen möglichst viele deutsche Touristen geködert werden sollen, nun bald wieder Straßensperren einführt. Vielleicht erinnern Sie sich noch: Vor genau einem Jahr wurde beispielsweise am Brenner zeitweise das Umfahren des Autobahnstaus auf Landstraßen untersagt, was vor allem zwischen Bayern und Tirol zu Spannungen führte wie zuletzt die Schlachten am Bergisel anno 1809. Wer googelt, findet auf der Webseite des ADAC noch heute einen Hinweis vom Februar: "Fahrverbote in Tirol: Ausweichrouten bis Ostern gesperrt". Dass dann Corona, dieses wahrlich widerwärtige Luder, das vorübergehende Abriegeln des ganzen Landes erwirkte, bereitet womöglich tatsächlich nur jenen Menschen keine Sorgen, die Österreich vor jeglichem Einfluss von außen bewahren wollen.

Dieser Text ist zuerst am 19. Juni 2020 im Österreich-Newsletter erschienen.

© SZ vom 20.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: