Kohls Leben in Bildern:Plötzlich ein Gigant

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Vom Oppositionsführer zum ewigen Kanzler der Deutschen Einheit. Die Stationen Helmut Kohls in Bildern.

Von Joachim Käppner

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(Foto: Heinz Wieseler/dpa)

Erfurt, 20. Februar 1990: Zum ersten Mal findet in der DDR ein Wahlkampf statt, der Kanzler Helmut Kohl blickt auf ein Meer aus Schwarz-Rot-Gold - und was ihn besonders gefreut haben mag: auch auf eine Europafahne.

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(Foto: imago)

Ein Schüler aus Ludwigshafen. 1937 ist Helmut Kohls Welt noch einigermaßen heil. Doch es kommen der Krieg, die Bomben, der Tod des Bruders Walter. Und die Erfahrung, was Hass und Krieg zerstören können.

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(Foto: Bundespresseamt/dpa)

Auf dem Weg zum Staatsmann: Als Landeschef der CDU Rheinland-Pfalz steht Helmut Kohl 1967 noch im Schatten von Alt-Bundeskanzler Konrad Adenauer.

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(Foto: ullstein bild)

Der junge Wilde: Helmut Kohl, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, 1970 in seinem Büro in der Mainzer Staatskanzlei. Seit 1946 ist er in der CDU, mit 16 Jahren ist er in die Partei eingetreten.

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(Foto: SWR)

1970 überreicht er dem Ehrenspielführer der Nationalelf, Fritz Walter, das Bundesverdienstkreuz.

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(Foto: SZ Photo)

1976 holte Kohl mit 48,9 Prozent das beste Bundestagsergebnis der Union bis heute.

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(Foto: dpa)

Und doch blieb Helmut Schmidt Kanzler, der aus seiner Geringschätzung für Kohl nie einen Hehl machte.

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(Foto: Martin Athenstädt/dpa)

Am 1. Oktober 1982 spricht er im Bundestag vor der geheimen Abstimmung über das konstruktive Misstrauensvotum zum Sturz von Bundeskanzler Helmut Schmidt.

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(Foto: dpa)

Entsprechend groß war der Triumph 1982, als der Verachtete doch noch Kanzler wurde.

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(Foto: Wolfgang Eilmes/dpa)

1984 trifft er den französischen Staatspräsidenten François Mitterrand am Ort der Schlacht um Verdun. Das Foto ihres Händedrucks geht um die Welt.

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(Foto: dpa)

Im selben Jahr muss Kohl vor dem Untersuchungsausschuss zur Flick-Affäre aussagen. Er kann sich angeblich an viele Situationen nicht mehr erinnern.

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(Foto: Dieter Klar/dpa)

1987 empfängt Kohl den US-Präsidenten Ronald Reagan. Vor dem Brandenburger Tor ruft dieser: "Mister Gorbatschow, tear down this wall!"

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(Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Am 9. November 1989 fällt die Berliner Mauer. Bei der ersten deutsch-deutschen Silvesterfeier am Brandenburger Tor feiern die Menschen ausgelassen.

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(Foto: dpa)

Am 15. Juli 1990 treffen sich Kohl, der "Kanzler der Einheit", und Michail Gorbatschow im Kaukasus. Mit am Tisch: Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher.

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(Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Am 3. Oktober 1990 feiert das neue Deutschland Geburtstag. Helmut Kohl und seine Frau Hannelore winken von der Freitreppe des Berliner Reichstags.

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(Foto: Heinz Wieseler/dpa)

Für die Fotografen posieren die Kohls als heile Siebziger-Jahre-Durchschnittsfamilie - wie hier 1975 mit Ehefrau Hannelore und den Söhnen Peter (r.) und Walter (l.).

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(Foto: dpa)

Die Ehe der Kohls endet schließlich tragisch. Hannelore Kohl leidet ab 1993 an einer Lichtallergie, 2001 nimmt sie sich das Leben.

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(Foto: dpa)

1991 macht Kohl Angela Merkel zur Ministerin für Frauen und Jugend. "Mein Mädchen" nennt er die Frau, die keiner der Mächtigen in der CDU allzu ernst nimmt.

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(Foto: Tim Brakemeier/dpa)

Kohls Macht zerfällt. 1998 verliert er die Bundestagswahl gegen die SPD unter Gerhard Schröder, der ihn als Kanzler ablöst.

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(Foto: Reuters)

Als ab 1999 eine Spendenaffäre die CDU aufrüttelt, schlägt Merkels Stunde: Sie lässt ihren politischen Ziehvater fallen - Kohl legt alle Ämter nieder.

Für viele Konservative in der CDU bleibt Kohl ein Idol. 2008 heiratet er Maike Richter, den Kontakt zu den Söhnen bricht er ab.

Als Helmut Kohl 1976 Oppositionsführer im Bundestag wurde, war die KSZE-Schlussakte von Helsinki gerade ein Jahr alt. Abgelehnt hatten dieses Grundlagendokument der neuen Entspannung zwischen Ost und West die Kommunistische Partei Albaniens - sowie die CDU/CSU. Die Union wirkte auch unter Helmut Kohls Führung oft aus der Zeit gefallen. Als sie bei der Wahl 1982 siegte und Kohl die "geistig-moralische Wende" ausrief, half ihr weniger eigene Stärke als vielmehr der Seitenwechsel der FDP zurück an die Macht. Der Kanzler Kohl regierte und sprach am Lebensgefühl eines Großteils der jüngeren Generation vorbei. Er schien bereits von gestern zu sein, als er ins Amt kam. Von allen Bundeskanzlern der Republik war dies wahrscheinlich derjenige, dem man die Jahrhundertaufgabe der friedlichen deutschen Wiedervereinigung am wenigsten zugetraut hätte.

Helmut Kohl, geboren 1930, war der letzte Kanzler, der Nazizeit und Krieg bewusst erlebt hatte. Diese Erfahrung prägte ihn zutiefst; ihretwegen wurde er zu einem der Väter des europäischen Einigungsprozesses. Hand in Hand stand er mit dem französischen Präsidenten François Mitterrand vor den Gräbern von Verdun. Weil Kohl wusste, was Krieg und Völkerhass bedeuten, vertraute ihm 1989 der sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow - ihm, dem Konservativen.

In seinen jungen Jahren galt er als Reformer innerhalb der Union, etwa in seiner Zeit als rheinland-pfälzischer Ministerpräsident (1969 - 1976). Der CSU-Hardliner Franz Josef Strauß, sein Dauerkontrahent, schien stets der Stärkere zu sein und unterlag Kohl dann doch. Der Pfälzer erreichte 1982 jene bürgerlichen Wähler, die dem polternd reaktionären Kandidaten Strauß 1980 davongelaufen waren. Kohl setzte zwar die Nato-Nachrüstung in Deutschland durch und schien noch einmal den Geist des Kalten Krieges aus der Flasche zu lassen. Und doch blieb er für den Kreml ein verlässlicher Partner und Vermittler. Daheim schien die Ära Kohl sich 1989 erschöpft zu haben. Auf Friedensbewegte, Atomkraftgegner und Umweltschützer reagierte Kohl verärgert bis ratlos. Seine Gegner schmähten ihn als Trottel. Dabei war Kohl zwar oft unerträglich selbstgefällig, aber nicht so selbstgefällig wie manche seiner Feinde, die den Koloss auf kolossale Weise unterschätzten. Dennoch wirkte er wie die Personifizierung einer veralteten Bundesrepublik. Bis die Mauer fiel.

Da hatte er im Osten wie im Westen genug politischen Kredit, um die deutsche Einheit zu erreichen. Energisch trieb er, gewiss mit vielen Fehlern, die Einigung des eigenen Landes und Europas voran. Das bleibt sein Lebenswerk, auch wenn er 1998 nach 16 Jahren den Moment verpasste, als großer alter Mann freiwillig abzutreten, der letzte der "Cold War Giants", wie ein US-Journalist schrieb. Über seinen letzten Jahren liegen die Schatten des CDU-Parteispendenskandals, des Zerwürfnisses mit den Weggefährten, des Suizides seiner kranken Frau Hannelore 2001, einer zerbrechenden Familie und schwerer Krankheit.

In einem historischen Moment war er der richtige Mann auf dem richtigen Platz. Und so wird er dort eingehen, wo er sich immer sehen wollte: in die Geschichtsbücher.

© SZ vom 17.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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