Kohl verlässt Hannelore-Kohl-Stiftung:Stiften und stiften gehen

Lesezeit: 4 min

Altkanzler Helmut Kohl will mit der Hannelore-Kohl-Stiftung nichts mehr zu tun haben - aus Protest gegen ein Kuratorium, das es wagt, sich seinen Wünschen zu verweigern.

Hans Leyendecker

Als Regierungschef und Vormann der CDU hat Helmut Kohl die Welt immer in zwei Lager geteilt: "Wir oder die". Der Altkanzler ist im Wortsinn treu, aber wer ihn enttäuscht oder ihm nicht folgt, bekommt das zu spüren. Auch mit 79 Jahren kennt der alte Kohl da kein Pardon.

"Mit sofortiger Wirkung", schreibt Helmut Kohl, lege er alle Ämter bei der Hannelore-Kohl-Stiftung nieder. (Foto: Foto: AP)

Am Dienstag schrieb der Christdemokrat den "Mitgliedern des Kuratoriums und des Vorstands der Bonner ZNS - Hannelore Kohl Stiftung" einen zweieinhalb Seiten langen Brandbrief. Er schickte das Schreiben "aus gegebenem Anlass" auch an den Kölner Regierungspräsidenten. Der beaufsichtigt die Stiftung, die den Namen der ersten Frau des Altkanzlers trägt und deren Repräsentanten aus Sicht von Kohl jetzt zu denen gehören, die für ihn "die" sind.

"Mit sofortiger Wirkung", schrieb Kohl, lege er alle Ämter bei der Hannelore-Kohl-Stiftung nieder. "Ich verbinde dies mit der ausdrücklichen Bitte, den Namen meiner verstorbenen Ehefrau Hannelore als Stiftungsnamen nicht fortzuführen." Er werde die Stiftung fortan nicht mehr unterstützen und bei Gelegenheit darauf hinweisen, dass sie "in ihrer derzeitigen Verfassung nicht mehr die Interessen meiner verstorbenen Frau Hannelore repräsentiert". Dass es solche Gelegenheiten geben wird, steht zu erwarten.

Auf seine alten Tage wird Kohl noch einmal sehr grundsätzlich. Er kappt die Beziehung zu einer Stiftung, die segensreich gearbeitet hat und sich vor allem um Menschen mit schweren Hirnverletzungen kümmert. "Ich kann diesen Schritt von Herrn Kohl nicht nachvollziehen", sagt das Gründungsmitglied Professor Klaus Mayer, 82. Die Stiftung werde auf den Namen Hannelore Kohl nicht verzichten, erklärt der Neurologe. "Das sind wir Frau Kohl schuldig." Vor ihrem Freitod habe ihn die erste Frau des Altkanzlers in einem Abschiedsbrief gebeten, die gemeinsame Arbeit fortzuführen.

Es ist also - alles in allem - eine sehr unglückliche Geschichte. Eine Rolle spielt auch eine Dame, die in bunten Blätter "Charity-Lady" oder "Mrs Moneypenny" genannt wird, viel blonder als Frau Kohl ist und sich selbst als "moderne Bettlerin" bezeichnet: Im Frühsommer 2002 wurde Ute-Henriette Ohoven Präsidentin der Stiftung. Bei ihrer Amtseinführung erklärt sie: "Die Nachfolge eines so einzigartigen Menschen" wie Hannelore Kohl anzutreten, sei für sie "eine große Herausforderung und Ehre". Deshalb habe sie "der Bitte von Helmut Kohl entsprochen", die Aufgabe zu übernehmen.

Eigentlich haben Kohl und Frau Ohoven nie so ganz zueinander gepasst. Aber die Wahrheit ist, dass der Kreis der Bewerberinnen für das Amt nach dem Tod von Hannelore Kohl und nach der Parteispendenaffäre des Altkanzlers sehr überschaubar war, und dass er glaubte, die Sonderbotschafterin der Unesco - was sie ebenso ist wie Konsulin der Republik Senegal - sei ein Ass im Sammeln von Spenden.

Leute, die viel Geld für gute Zwecke besorgen können, haben Kohl immer imponiert. Geld, das er früher "Dubbes" nannte, war für ihn nie ein Zweck, aber immer ein wichtiges Mittel.

Ein paar gemeinsame Bilder der beiden sind überliefert. Dazu gehört ein Filmchen, das die beiden bei einer Stiftungs-Feier in Bonn zeigt. Bei dieser Gelegenheit kanzelte Kohl einen lästigen Frager eines TV-Magazins ab. Er rief Frau Ohoven zu: "Das ist das Prachtexemplar von Panorama! Von Panorama. Die." Frau Ohoven zog ihn damals eilig weiter. Dann kam er wieder mit ihr aus dem Saal, sah die Fernsehleute und sagte zu ihr: "Brauchst dir doch nur die Gesichter angucken. Dann weißt du doch, was verzapft wird."

Was so alles verzapft wird. Später fand er Frau Ohoven auch nicht mehr so toll. Er fand es beispielsweise enttäuschend, dass die Stiftung im Jahr 2007 nur 903000 Euro Spenden erhielt und insgesamt, einschließlich Erbschaften und Bußgelder lediglich auf 2,69 Millionen Euro kam. Die rund 15 Millionen Euro Stiftungsvermögen, die erhebliche Kapitalerträge bringen, hatte Frau Kohl im Wesentlichen besorgt.

Mit der Spendenbereitschaft der Deutschen sei es "mal so, mal so", sagt Professor Mayer. Mancher potentielle Spender frage auch, was denn der Parteispendensünder Kohl, der 1999 den Ehrenvorsitz der CDU zurückgab, mit der Stiftung zu tun habe - dort war er auch Ehrenvorsitzender.

Das Zerwürfnis hängt auch mit einer Phase seines Lebens zusammen, die Kohl die "Krankheitsphase" nennt, und in der es ihm richtig schlecht ging. Er war im Vorjahr mehr angeschlagen, als die meisten seiner Bewunderer wissen. Seine zweite Frau Maike Richter, die er in kleinstem Kreis einer Krankenhaus-Kapelle geheiratet hatte, hat sich damals rührend um ihn gekümmert.

Die bekam mit, dass ausgerechnet in der Zeit seiner schweren Krankheit das Kuratorium der Stiftung um Leute erweitert wurde, die er, wie er sagt, "zum Teil nicht kannte" und die, wie Kohl in dem Brief schreibt, "in keiner Beziehung zu meiner verstorbenen Frau standen". Sehr überschaubare Spendeneingänge und lauter Fremde - so hatte sich Kohl die Fortsetzung des Werks seiner ersten Frau nicht vorgestellt.

Er ärgerte sich über die Stiftung, was für seine Gesundheit nicht gut ist und was seiner zweiten Frau zunehmend missfiel. "Ehemalige Stiftungsleute hatten auf ihn keinen guten Einfluss", mutmaßt Klaus Mayer.

Am 2. April dieses Jahres legte Kohl auf einer gemeinsamen Sitzung von Kuratorium und Vorstand einen Entwurf für eine neue Satzung vor, der "einer Entmachtung gleichkam", sagt Mayer. Das Kuratorium sollte verschwinden. Die Präsidentin auch. "Wer vom Vorstand oder der Geschäftsführung soll diese Aufgaben zusätzlich übernehmen", fragte Mayer in einem Gegenentwurf.

Ein erstaunliches Ergebnis

Die "ZNS - Hannelore Kohl Stiftung ist keine Familienstiftung", schrieb er damals. Es sei "nicht nachvollziehbar", dass "sozusagen" eine Familienstiftung entstehen solle, die von einem "allein und autoritär bestimmenden" Familienmitglied geleitet würde. Der könne dann "die Mitglieder des Vorstands berufen und abberufen". Es handele sich um eine Hannelore-Kohl- und nicht um eine Helmut-Kohl-Stiftung, heißt das übersetzt.

Für Kohl hingegen war der Fall übersichtlich: Es habe sich bei seinem Entwurf um eine "zukunftsorientierte Verschlankung der Strukturen und eine Neuverteilung der Verantwortlichkeiten" gehandelt, erklärt er. In seiner Welt heißt das: Ab jetzt habe ich das Sagen. Er schlug vor, verdienstvolle Spender und langjährige Wegbegleiter der Familie, die vor allem Hannelore Kohl eng verbunden waren, aufzunehmen.

Das Ergebnis war erstaunlich: Die Stiftungs-Vorleute, deren Verein früher zumindest mit dem Namen Hannelore Kohl guten Dubbes gemacht hatte, widersetzte sich dem Ehemann der Gründerin. Kohls Entwurf bekam keine ausreichende Mehrheit. Die paar Kohl-Vertrauten wie der frühere Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer reichten nicht für die für eine Änderung der Satzung notwendige Dreiviertelmehrheit. Kohl nennt den "mehr als befremdlichen" Vorgang eine "unfreundliche Übernahme" - eigentlich ist der Begriff aus der Wirtschaft bekannt.

Die Stiftung wird es wohl weitergeben, und sie hat noch viel vor. In diesem Monat soll die Lotto-Elf Rheinland-Pfalz in Leimersheim mit ehemaligen Weltmeistern gegen eine Über-Vierzig-Kreisauswahl zugunsten der Hannelore Kohl Stiftung ein Benefiz-Spiel austragen. Der alte Weltmeister Horst Eckel, der 1954 beim Wunder in Bern schon dabei war, soll der Spielführer sein. Soll jetzt der 77-jährige Eckel, den Kohl noch vom Betzenberg kennt, nicht mehr die Fußballstiefel schnüren, weil Kohl die Stiftung nicht mehr mag?

© SZ vom 02.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: