Koalitionsverhandlungen:Präludium für Grausamkeiten

Lesezeit: 2 min

Die inhaltliche Regieführung der schwarz-roten Koalitionsverhandlungen dient offenbar vor allem einem Zweck: Dem Bürger die abgeschmackten und kontraproduktiven Grausamkeiten der Vergangenheit erneut unterzujubeln.

Paul Katzenberger

Noch kreißt der Berg, aber dem Eindruck nach wird er wohl noch nicht einmal ein Mäuslein gebären. Das mag ein Vorurteil sein, denn auch nach den Erschütterungen der letzten Tage hat die geplante schwarz-rote Koalition das Recht, ihre Arbeitsgrundlage erst einmal in Ruhe durchzusprechen, bevor sie das Ergebnis der Gespräche der breiten Öffentlichkeit präsentiert. Doch was bisher aus den Koalitionsverhandlungen durchsickert, weckt schlimmste Befürchtungen. Dem Bürger - so der Eindruck - sollen die nächsten Grausamkeiten untergejubelt werden.

Die Grausamkeiten scheinen weiter zu gehen - egal bei welcher politischen Konstellation. (Foto: N/A)

Eingetütet wird das folgendermaßen: Erst ist tagelang von einer katastrophalen Haushaltslage des Staates die Rede. Das gewaltige Finanzloch, das da beschworen wird, ist zunächst 35 Milliarden Euro groß, wächst dann aber quasi im Stundentakt bis auf 43 Milliarden Euro an. Das Geraune über "noch höhere Beträge" bewahrheitet sich dann sehr schnell: Der neu ins Spiel gebrachte Betrag von 70 Milliarden Euro kann seine Besorgnis heischende Wirkung kaum verfehlen.

Überraschende Einmütigkeit

Ist das Feld erst einmal so bestellt, folgt der nächste Akt des schwarz-roten Schattentheaters: "Die Steuern steigen in jedem Fall", erklären Union und SPD in neuer - durchaus überraschender - Einmütigkeit. Der Wahlkampf ist ja auch lang genug her. Das wochenlange Krisengerede hat mittlerweile übertüncht, dass sich das bei beiden Koalitionären im September noch ganz anders anhörte.

Welche Abgaben gemeint sein könnten, haben die koalitionären Unterhändler mit ihren notorischen Indiskretionen flankierend klar gemacht: Die Erhöhung der Mehrwertsteuer um mindestens zwei Punkte ist gesetzt und auf höhere Sozialabgaben sind die Arbeitnehmer gedanklich schon mal eingestimmt. So kann sich jeder schon einmal sammeln, bevor er schließlich zur Kasse gebeten wird.

Kann, muss aber nicht

Ein sehr viel nebulöseres Bild ergibt sich hingegen von den geplanten Einsparungen auf der Ausgabenseite. Fällt die Eigenheimzulage? Werden die Kohlesubventionen gestrichen? Das kann, muss aber nicht so kommen. Nur eins haben beiden Seiten inzwischen klar kommuniziert: Die Einsparungen werden auf keinen Fall ausreichen, um das gewaltige Loch im Bundesetat (siehe oben) zu stopfen.

Sollte das Ergebnis der schwarz-roten Koalitionsverhandlungen tatsächlich vorrangig im Geiste altbekannter Abgabenerhöhungen stehen - es wäre ein Armutszeugnis sondersgleichen. Große Koalitionen mögen so manche Schwäche aufweisen und eine Zumutung für die Beteiligten sein - an einem mangelt es ihnen nicht: An einer Gestaltungsmehrheit, die jenseits all der gewöhnlichen Machtspielchen des föderalistischen Staatswesens zum Einsatz kommen kann.

Es wäre daher nicht hinnehmbar, wenn diese große Koalition die einzige Chance verpassen würde, die sie hat: Ein paar wesentliche Projekte durchzuziehen, die nun schon seit vielen Jahren in beiden Lagern als schlicht vernünftig angesehen werden.

Dukatenesel

Eines dieser zentralen Vorhaben muss die Entlastung der deutschen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sein. Bereits seit den 60-er Jahren haben die Regierungen dieses Landes den ganz normalen sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer und -geber immer mehr als Dukatenesel missbraucht, während anderen Einkommensempfängern wie Beamten, Vorstandsmitgliedern, Mietshausbesitzern, etc. teilweise unverständliche Privilegien eingeräumt wurden.

In Deutschland hat sich deswegen ein verhängnisvoller Teufelskreis geschlossen: Weil der Staat immer neue Löcher stopfen musste, bürdete er dem Arbeitsmarkt immer neue Lasten auf. Auf Grund der immer höheren Belastung, sank der Arbeitsmarkt danieder, und weil er nun am Boden liegt, laufen die Staatsfinanzen aus dem Ruder. Weil der Staat nun weiter neue Löcher stopfen muss ...

Die wichtigsten Stichworte fehlen

Auf Grund der satten Mehrheit in allen Kammern hätte Schwarz-Rot nun die Macht, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Es wäre daher schön, wenn aus den Koalitionsverhandlungen bestimmte Stichworte dringen würden. Wenn etwa der Wille erkennbar wäre, unsinnige Subventionen für Windenergie oder Hollywood-Produktionen abzuschaffen. Wenn die absurden Steuerschlupflöcher angegangen würden. Wenn die horrenden Pensionsverpflichtungen gegenüber Beamten zumindest langfristig kein Tabu mehr wären. Wenn man nicht noch wirtschaftsliberaler sein wollte als Großbritannien und sich somit die dortige Börsenumsatzsteuer von 0,5 Prozent auch bei uns vorstellen könnte. Wenn schließlich Vorschläge debattiert würden, wie die Erbengeneration stärker zum Gemeinwohl beitragen könnte.

Doch von alldem ist wenig zu hören.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: